Süddeutsche Zeitung

Studie zum Wohnungsmarkt:Reiche hier, Arme dort

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Die Stadtbevölkerung spaltet sich - vor allem im Osten. Dort sammeln sich die Finanzschwachen in bestimmten Viertel, weil sie nur dort Wohnungen finden.

Von Janis Beenen

Die Trennung von Armen und Reichen nimmt in vielen deutschen Städten zu. Insbesondere in ostdeutschen Orten sammeln sich die Finanzschwachen in bestimmten Wohnvierteln. Diesen Zustand beschreibt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Demnach hat in gut 80 Prozent der insgesamt 74 untersuchten Städte die räumliche Ballung von Hartz-IV-Empfängern zwischen 2005 und 2014 zugenommen. In einigen Städten müssten etwa 40 Prozent der Leistungsempfänger in anderen Quartieren wohnen, um eine gleichmäßige Verteilung zu erreichen. "Dieses Niveau kennen wir bisher nur von amerikanischen Städten", sagt Wissenschaftler Marcel Helbig vom WZB. Wo viele kleine Kinder leben, sei die Separierung der sozialen Schichten am stärksten.

Auch Alte und Junge leben seltener Tür an Tür

"Viele Familien müssen umziehen, um eine ausreichend große Wohnung zu finden", sagt Helbig. Dabei sind finanziell oft nur günstige Bezirke drin. So kommt es, dass es in 36 der beobachteten Städte mittlerweile Viertel gibt, in denen mehr als die Hälfte der Kinder von staatlicher Hilfe lebt. Die Co-Autorin der Studie, Stefanie Jähnen, warnt vor dramatischen Folgen für den Nachwuchs: "Aus der Forschung wissen wir, dass die Nachbarschaft auch den Bildungserfolg beeinflusst."

Dass die Spaltung in den ostdeutschen Städten Schwerin, Rostock, Erfurt und Potsdam am weitesten fortgeschritten ist, erklären die WZB-Forscher zusätzlich mit der baulichen Situation. An den Rändern stehen oft Plattenbausiedlungen. "Dort wurden die Armen in der Vergangenheit zunehmend reingedrängt", sagt Helbig. Magdeburg und Dresden fallen als Ausnahmen mit geringerer Separierung auf. Dort seien Neu- und Plattenbauten ausgewogener verteilt, so die Forscher. In den armen Metropolen des Westens, Offenbach, Bremerhaven und Gelsenkirchen, findet die größte Durchmischung statt. In zahlreichen Ecken finden mehrere Einkommensklassen passende Wohnungen.

Die Forscher haben auch geprüft, ob die hohen und steigenden Mietpreise die Trennung weiter vorantreiben. Überraschend konnten sie keinen Zusammenhang feststellen. München und Frankfurt fallen sogar mit vergleichsweise ausgewogener Verteilung der Bewohner auf.

Die Studie zeigt auch, dass Alte und Junge immer seltener Nachbarn sind. Menschen zwischen 15 und 29 Jahren konzentrieren sich öfter in bestimmten Wohnvierteln, in anderen wiederum alte Menschen ab 65 Jahren. Die Trennung ist zwar nicht so stark wie zwischen den sozialen Schichten. Doch eine Abschwächung des Trends erwarten die Autoren des Papiers nicht. Wissenschaftler Helbig befürchtet daher, dass die Generationen den Kontakt zueinander verlieren.

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Quelle:
SZ vom 24.05.2018
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