Studie zu Zinsniveau:Schweizer Nationalbank dementiert S&P-Analyse

Viele Milliarden Euro aus den Krisenländern werden in der Schweiz geparkt. Die wiederum soll das Geld einer Studie von Standard & Poor's zufolge in Anleihen von Ländern wie Deutschland oder Frankreich stecken - und damit angeblich fast die Hälfte des öffentlichen Finanzbedarfs dieser Staaten finanzieren. Die Schweizer Nationalbank weist diese Analyse allerdings zurück.

Die Schuldenkrise hat die Schweiz und ihre Notenbank nach Einschätzung der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) zu einer Drehscheibe für Milliarden von Euro gemacht.

Geld, das aus den europäischen Schuldenländern in die sichere Schweiz floss, ist von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu einem guten Teil in den sicheren Kernländern der Eurozone angelegt worden und sorgt dort für niedrige Zinsen.

"Wir denken, dass dieses Euro-Recycling den Trend zu auseinanderlaufenden Zinsen für Staatsanleihen der Euroländer verstärkt hat", heißt es in einer jetzt vorgelegten S&P-Studie.

Schweizer Notenbank dementiert S&P-Analyse

Die Schweizer Notenbank hat diese Analyse von S&P unterdessen zurückgewiesen: Sie enthalte einen fundamentalen Fehler, erklärte die SNB. S&P nehme nicht zur Kenntnis, dass die SNB ihre Einlagen bei anderen Notenbanken und internationalen Institutionen deutlich erhöht und dies jeden Monat auch veröffentlicht habe. Die von S&P vorgelegte Schätzung entbehre jeder Grundlage.

In der zuvor veröffentlichten S&P-Studie hieß es, allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres dürfte die SNB für rund 80 Milliarden Euro Staatsanleihen von Ländern wie Deutschland, Frankreich, Niederlande, Finnland und Österreich gekauft und damit fast die Hälfte des öffentlichen Finanzbedarfs dieser Länder gedeckt haben.

Dass das so kam, hängt mit dem vor einem Jahr eingeführten Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken zusammen. Um die Einheitswährung nicht unter diese Marke sinken zu lassen, musste die SNB die in die Schweiz fließenden Euro selbst aufkaufen. Diese Interventionen der SNB ließen die Devisenreserven der Schweiz auf 418 Milliarden Franken anschwellen, die die Notenbank möglichst sicher und gewinnbringend anlegen muss.

Dass die SNB die Staatsanleihen der europäischen Kernländer kurzfristig verkaufen könnte, ist nach Ansicht der S&P-Experten unwahrscheinlich. Irgendwann werde der Geldfluss aus der Schweiz aber versiegen und das würde höhere Zinsen für die Staatskassen der Euro-Länder bedeuten, die gegenwärtig von der Kapitalflucht aus den klammen Euro-Staaten über die Schweiz profitieren.

Ganz vorn dabei ist Deutschland. Immerhin "reichlich zehn Milliarden Euro jährlich" spare der Bund an Zinsen, sagte der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise. Bezogen auf alle Laufzeiten der bundesdeutschen Wertpapiere schätzte Heise die Zinsersparnis auf insgesamt 67 Milliarden Euro.

Anleger investieren ihr Geld derzeit bevorzugt in deutsche Staatsanleihen, weil diese als besonders sicher gelten. Als Folge sank der Zinssatz, den Deutschland zahlen musste, zwischenzeitlich auch mal auf null Prozent. Bei kurzfristigen Staatsanleihen schenkten die Anleger Deutschland sogar Geld: Der Zinssatz war leicht negativ.

Die niedrigen Zinsen sind zwar für den Staat von großem Vorteil, Sparer allerdings bekommen kaum noch Geld für ihr Erspartes. Die Allianz schätzt die Verluste an Zinseinkommen für private Haushalte auf "reichlich zwölf Milliarden Euro" pro Jahr. Der Sparer trage damit indirekt "zur Konsolidierung des Staatshaushaltes" bei, so Heise.

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