Studie zu Stress:50 000 Euro pro Kind

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Nachwuchs ist anstrengend. Ökonomen haben berechnet, wie teuer es käme, diesen Stress zu vermeiden.

Von Korbinian Eisenberger

Deutschland ist Weltmeister: Keine andere Nation bringt so wenige Kinder zur Welt - ein Titel, der allerdings keinen Anlass zum Jubel gibt. Schließlich ist der Nachwuchs für Wirtschaft und Sozialsysteme von enormer Bedeutung.

Warum wollen nur noch so wenige Deutsche Kinder kriegen? Die Hauptgründe sind Geld und Zeit. So kosten Kinder zum Beispiel bis zu ihrem 18. Lebensjahr etwa 120 000 Euro. Viele potenzielle Mütter sind berufstätig und wollen eine Doppelbelastung vermeiden. Eine Studie aus den USA hat jetzt untersucht, wie viel Geld nötig wäre, um Eltern jenen Stress zu nehmen, den ihre Kinder verursachen. Das Ergebnis: Der Stress, den Eltern mit einem Kind haben, entspricht in Deutschland pro Jahr knapp 50 000 Euro.

Für seine Untersuchung wählte der Ökonom Daniel Hamermesh von der University of Texas/Austin mehr als 7000 Ehepaare - mit und ohne Kindern - aus. Die Probanden stammen nicht aus den USA, sondern aus Australien und Deutschland. Nur hier ließen sich geeignete Langzeitstudien finden: das "Sozio-oekonomische Panel" (SOEP) aus Berlin und die australische "Houshold, Income and Labour Dynamics"-Studie, bei denen jeweils ein Zeitrahmen von einem Jahrzehnt (bis 2012) ausgewählt werden konnte. Die Teilnehmer beantworteten darin verschiedene Fragen, die ergründen sollten, wie viel Zusatz-Stress ein Kind verursacht. Eine lautete etwa: "Wie häufig fühlen Sie sich gehetzt oder unter Druck gesetzt?" Die Erhebungen beider Länder glichen sich. Bei Müttern verzeichneten die Studien einen Zusatz-Stress von 20 bis 22 Prozent. Bei Vätern waren es fünf bis acht Prozent.

Aus Fragen nach dem Zeitaufwand, den Eltern für Kinder betreiben, errechneten die Autoren der Studie schließlich eine Geldsumme. Demnach müsste eine deutsche Mutter pro Jahr zusätzlich 43 000 Euro verdienen, um es sich leisten zu können, den Stress vollständig auf andere abzuwälzen. Etwa dafür, ein Kindermädchen zu bezahlen, einen Nachhilfelehrer einzustellen oder einen privaten Chauffeur zu engagieren. Erstaunlich: Bei deutschen Vätern wären sogar 49 000 Euro zusätzlich nötig. Denn Männer, so die Studie, geben weniger Geld dafür aus, den eigenen Stress zu reduzieren.

Warum aber investieren Menschen überhaupt noch so viel Zeit und Energie in ihre Kinder? Zumal sich der Aufwand nach Aussagen der Hamermesh-Studie mit einem mittleren Jahresgehalt aufwiegen lässt? Auch für dieses Phänomen versucht es Hamermesh mit einer Erklärung. "Der Langzeitgewinn" von Kindern, sagt er, sei Menschen mit Nachwuchs "wichtiger als die Kurzzeitkosten."

Was die Hamermesh-Studie dagegen ausblendet, ist der Zufriedenheitsfaktor. Fragen von der Art "Wie glücklich sind Sie?", wie sie Forscher häufig stellen, wurden ausgespart. Ein entscheidender Punkt, den mehrere Fachkollegen kritisieren. Die Hamermesh-Studie sei zwar hilfreich, um Stress und Kosten zu bemessen. Sie sei jedoch kein Ersatz für eine umfassende und ausgewogene Zufriedenheits-Erhebung, bei der nicht nur Geld, sondern auch Kinder mit Glücksgefühlen verbunden werden. Auch im Land des Weltmeisters.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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