Studie zu Frauen in Führung:Modell Bourgeousie

Damenmode, 1840

Schön sein, zu Hause bleiben, auf den Bräutigam warten: In der Biedermeierzeit hatten die Frauen eine klar definierte Rolle im Haus. Heute noch erwarten viele, dass Mütter sich auf die Familie konzentrieren.

(Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Erwartungshaltungen und Klischees hindern Frauen nach wie vor daran, Top-Positionen einzunehmen. Unternehmen entwerfen eigene Modelle, um mehr weibliche Arbeitskräfte zu gewinnen.

Von Johanna Pfund

Es ist viel geredet worden über Frauen in Führungspositionen. Im Januar ist in Deutschland auch eine Frauenquote eingeführt worden - nur für die Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen. Ansonsten aber hat sich in den vergangenen 15 Jahren wenig verändert: Nur ein Drittel der leitenden Stellen ist mit Frauen besetzt. "Es gibt noch viel zu tun", resümiert Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies am DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) Berlin.

Kürzlich hat Holst gemeinsam mit Martin Friedrich eine Studie zum Thema hohe Führungspositionen veröffentlicht. Das Ergebnis ist ernüchternd. Im Untersuchungszeitraum von 2001 bis 2014 stellten die Frauen zwar knapp die Hälfte der abhängig Beschäftigten, doch sie besetzten nur 31 Prozent der Führungsjobs. Es gibt einige Branchen, in denen Frauen mehr Chancen auf Chefposten haben - überraschenderweise im Baugewerbe oder im produzierenden Gewerbe. Schlecht sieht es dagegen in typischen Frauenberufen aus, in Erziehung und öffentlicher Verwaltung. Die geringsten Chancen auf einen Aufstieg haben Frauen in der Finanzbranche (siehe übernächste Seite).

Unabhängig von der Branche ist Teilzeitarbeit das Haupthindernis für den Aufstieg, stellt Holst fest. Können die Frauen in Vollzeit arbeiten, steht dem Sprung auf der Karriereleiter wenig entgegen. In der Regel jedoch arbeiten wesentlich mehr Frauen in Teilzeit als Männer, da sich nach wie vor hauptsächlich die Mütter um die Kinder kümmern. Die nächste Erkenntnis der Studie scheint da folgerichtig: Frauen in hohen Führungspositionen haben seltener Kinder und haben statt Ehemann eher einen Lebenspartner. Holst und Friedrich schließen: "Dieser Strukturunterschied dürfte mit den beruflichen Erwartungen an hohe Führungskräfte zusammenhängen, die nach wie vor an den Lebenswirklichkeiten von Männern orientiert sind."

Gerade in Deutschland scheint dies der Fall zu sein. Das Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen Accenture beschäftigt weltweit 384 000 Mitarbeiter, davon 5000 auf Führungsebene. "Aber der Anteil von Frauen in leitenden Positionen ist in Deutschland geringer als in vielen anderen Ländern, in denen wir tätig sind, gleich ob in Großbritannien, China oder in den USA", sagt Frank Riemensperger, Vorsitzender der Accenture-Ländergruppe Deutschland, Österreich, Schweiz. Obwohl das Unternehmen weltweit die gleichen Programme und Möglichkeiten anbiete. Das führe dazu, dass die Belegschaft in Deutschland aus knapp einem Drittel Frauen bestehe, aber nur 13 Prozent der Führungsjobs von Frauen besetzt sind.

Man muss viel Geld verdienen, um sich eine Nanny leisten zu können

Riemensperger sieht einen Hauptgrund in der gesellschaftlichen Erwartungshaltung. Mütter sollten nicht oder weniger arbeiten. "Wir haben in Deutschland ein Bourgeoisie-Modell." Dieses Modell schlage sich in der Gesetzgebung nieder: Eltern müssen viel Geld verdienen, um sich eine Nanny leisten zu können, dies sei aber nicht voll steuerlich absetzbar. "Das sind Fragen, die wir uns stellen sollten."

Währenddessen versucht das Unternehmen, mit eigenen Programmen mehr Frauen für Führungsaufgaben zu gewinnen. "Wir haben das zu unserer Priorität erklärt, denn nur so bewegt sich was." Die Firma schaue auf Themen wie "unconscious bias" , also unbewusste Vorurteile, und bietet flexible Arbeitsverhältnisse an. Mit einem gewissen Erfolg, wie Riemensperger sagt. Doch ganz zufrieden gibt sich der Deutschlandchef noch nicht. "Ich habe das Ziel, hier mehr als 40 Prozent Frauen einzustellen." Keine einfache Sache. An der Frauenförderung führt für ihn aber kein Weg vorbei. Aus demografischen wie auch aus wirtschaftlichen Gründen: "Gemischte Teams arbeiten wesentlich besser. Ein höherer Frauenanteil ist auch im Sinne des gewünschten Business-Ergebnisses."

Auf dem Weg zu gemischten Management-Teams müssten die Unternehmen allerdings einige Verhaltensmuster über Bord werfen. "Bei einer Organisation, die männlich geprägt ist, haben die Mitarbeiter bestimmte Klischees im Hinterkopf. Wenn es keine weiblichen Rollenmodelle gibt, werden Frauen oft über diese Muster bewertet", sagt Joachim Bohner, Managing Director Leadership und Assessment bei der Personalberatung Russell Reynolds Associates. Und solange die Wahrnehmung von solchen Rollenbildern bestimmt werde, laufe eine Frau Gefahr, dadurch potenziell zu scheitern. Geschlechtsunterschiede könnten die berufliche Entwicklung behindern, unter Umständen auch fördern, stellt Bohner fest. Doch letztendlich zähle nur eines: die persönlichen Fähigkeiten. "Es ist unerheblich was jemand ist, sondern es ist wichtig, was er oder sie macht."

In der Personalwelt diskutiert man daher schon über die "Post-Diversity-Ära". Frauen in Führungsjobs sind dann eine Selbstverständlichkeit und Unternehmen können sich endlich auf den einzigen Faktor konzentrieren, der den wirtschaftlichen Erfolg garantiert: den Menschen selbst. Und der muss laut Bohner wichtige Qualifikationen mitbringen, nämlich leistungsorientiertes Arbeiten, die Fähigkeit, andere zu begeistern und mitzunehmen sowie Durchsetzungskraft. Wer solche Traumführungskräfte halten will, muss als Firma viel bieten. Bohner nennt es "inclusion"; die Angestellten müssen sich akzeptiert und positiv gefordert fühlen. Fragen wie Teilzeit oder Kinderbetreuung wären so endlich pragmatisch beantwortet. Denn: "Inklusion bedeutet Flexibilität."

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