Studie:Optimistisch in eine ungewisse Zukunft

Mobiles Arbeiten

In einer Welt, die immer vernetzter wird, ist es wichtig, den Unternehmensalltag als "permanentes Lernen" zu begreifen.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Führungskräfte in Deutschland glauben, dass die Digitalisierung gut für ihr Unternehmen ist - aber nicht unbedingt für sie selbst.

Von Felicitas Wilke

Die Führungskräfte in Deutschland blicken eher optimistisch auf die Digitalisierung, haben aber noch keine genaue Vorstellung, wie sich der digitale Wandel auf ihren Arbeitsalltag und ihre eigene Machtposition im Unternehmen auswirken wird. Das zeigt eine Befragung der Wertekommission in Zusammenarbeit mit der TUM School of Management der Technischen Universität München.

Geht es nach den insgesamt 571 Befragten, dann wird die zunehmende Vernetzung einen positiven Einfluss auf den Wirtschaftsstandort Deutschland und das eigene Unternehmen haben. Was die Folgen für das soziale Miteinander angeht, sind die Führungskräfte etwas skeptischer. So befürchtet jeder vierte Befragte, dass die Digitalisierung für die Arbeitswelt in Deutschland ein Risiko oder eher ein Risiko ist. Für die Gesellschaft als Ganzes und das eigene Privatleben rechnet etwa jeder Fünfte mit eher negativen Konsequenzen.

Die Wertekommission, eine Initiative für Führungskräfte in Deutschland, misst bereits seit 2005 regelmäßig, an welchen Werten die Entscheider ihr Handeln ausrichten und welche Werte sie in Unternehmen einfordern. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt der Befragung auf der Digitalisierung und den Veränderungen, die damit einhergehen. "Ich war erstaunt, wie differenziert die Befragten geantwortet haben und wie deutlich sich die Angaben in den verschiedenen Bereichen unterscheiden", sagt Armin Pircher Verdorfer, einer der Studienautoren der TU München.

Dass vergleichsweise viele Führungskräfte die Digitalisierung als eher nachteilig für die Gesellschaft und das Privatleben betrachten, erklärt sich der Forscher teilweise mit dem Alter der Befragten: Fast 60 Prozent waren mindestens 46 Jahre alt, knapp jeder Fünfte älter als 55 Jahre. "In dieser Altersgruppe ist die technisierte Kommunikation tendenziell mit einem höheren Manko behaftet", sagt Pircher Verdorfer. Zudem beleuchteten die Medien öfter die negativen Seiten der Smartphone-Nutzung, als über die Vorteile des digitalen Austauschs zu berichten. Die Sorgen bezüglich der Arbeitswelt sind in den zunehmend automatisierten Prozessen begründet - und darin, dass Menschen künftig vermehrt durch Maschinen ersetzt werden könnten.

Viele wissen nicht, wie sich ihre Rolle verändern wird. Auch sie bangen um ihren Job

Florian Prittwitz-Schlögl begleitet Führungskräfte durch den digitalen Wandel und sieht Parallelen zwischen den Studienergebnissen und seinen Erfahrungen als Coach. "Aus Sicht derer, die betriebswirtschaftlich denken, bringt die Digitalisierung viele Vorteile mit sich, weil es leichter wird, effizienter zu produzieren und neue Märkte zu erschließen", sagt er. Gleichzeitig gehe auch bei Führungskräften die Angst um, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Und: "Die Digitalisierung verunsichert auch einige, weil man immer häufiger viele Dinge gleichzeitig lernen muss: Apps bedienen, Mitarbeiter führen und strategisch denken."

Die neue Studie legt nahe, dass viele Führungskräfte noch gar nicht wirklich abschätzen können, wie sich ihre Führungsrolle durch den digitalen Wandel ändern wird. Wenn es darum geht, die Bedeutung von Führung, die eigenen Karrieremöglichkeiten oder die eigene Machtposition im digitalen Wandel zu bewerten, herrscht bei vielen Ungewissheit: So gibt jeweils etwa ein Drittel an, nicht zu wissen, ob der Wert der Führung durch die Digitalisierung auf- oder abgewertet wird und ob die eigenen Karrieremöglichkeiten dadurch steigen oder sinken. 44 Prozent trauen sich keine Einschätzung zu, ob die Veränderungen zu mehr Einfluss oder zu Machtverlust führen werden. "Es ist sicherlich eines der Hauptergebnisse der Studie, dass viele Führungskräfte noch nicht wissen, womit sie zu rechnen haben", sagt Wissenschaftler Pircher Verdorfer.

Glaubt man Coach Prittwitz-Schlögl, dann wird sich die Rolle von Führungskräften im Zuge der Digitalisierung wandeln. In einer Welt, die immer vernetzter wird und sich andauernd verändert, werde es zur neuen Kernkompetenz, den Unternehmensalltag als "permanentes Lernen" zu begreifen, sagt Prittwitz-Schlögl. "Die Rolle wird viel mehr darin bestehen zu sagen 'Wie kann ich dich gerade unterstützen', als zu sagen 'Mach mal dies oder jenes'", führt er aus. Der Ansagen-Macher wird zum Moderator und Coach. Zu dieser "Fähigkeit, Veränderungs- und Lernprozesse zu gestalten" gehöre auch, dass eine Führungskraft dazu steht, im sich wandelnden Umfeld selbst permanent zu lernen - und bereit ist, sich von den Mitarbeitern Feedback einzuholen und immer wieder selbst Rückmeldung zu geben. Prittwitz-Schlögl glaubt nicht, dass die Unternehmen schon verstanden haben, vor welchem Wandel sie stehen: "Selbst die innovativsten Führungskräfte unterschätzen ihn dramatisch", stellt er fest.

Einem Begriff wird wieder mehr Bedeutung beigemessen: dem Mut

Die Befragung der Wertekommission und der TUM unterscheidet in der Auswertung der Daten nicht zwischen Führungskräften von kleinen und großen Unternehmen. In der nächsten Umfrage dieser Art wolle man jedoch aufzeigen, wie sich die Einstellungen und Erwartungen je nach Unternehmensgröße unterscheiden. Prittwitz-Schlögl gibt schon einmal einen Tipp ab: Der deutsche Mittelstand sei "häufig durchaus offen, eine neue Denke zuzulassen", sagt er.

Und dann gibt es noch einen kleinen Anhaltspunkt aus der Studie, der darauf schließen lässt, dass die Führungskräfte den digitalen Wandel trotz aller Unsicherheit als Chance begreifen: Gefragt nach ihren wichtigsten Werten, kommt einem Begriff in diesem Jahr eine höhere Bedeutung als früher zu: dem Mut.

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