Studie:Mehr Frauen für die EZB

In einer Studie benennt die europäische Notenbank Karrierehindernisse bei der EZB. Seit 2013 sollen sich die Chancen verbessert haben.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Man wird das Gefühl nicht los, dass es Frauen derzeit sehr schwer haben, einen Top-Posten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zu ergattern. Ein markanter Beleg: Im Winter sind die Verträge der beiden Chefinnen der EZB-Bankenaufsicht, Daniele Nouy und Sabine Lautenschläger, ausgelaufen - und wer folgt den beiden erfolgreichen Managerinnen? Zwei Männer. Das hat auch einige EU-Politiker überrascht, denn die Zentralbankwelt gilt seit jeher als Herrschaftsraum von Männern. Und genau das wollte man ändern. Doch unter den 25 Mitgliedern im EZB-Rat sitzt nur eine Frau. Es waren bis vor kurzem zwei, doch die zyprische Notenbankchefin Chrystalla Georghadji wurde Anfang April vom ehemaligen Investmentbanker Constantinos Herodotou abgelöst.

Damit nicht genug: Für die vakante Position an der Spitze der EZB-Bankenaufsicht gab es mit der Irin Sharon Donnery eine allseits respektierte Expertin als Bewerberin. Doch der männlich dominierte EZB-Rat hat in einer auch noch geheimen Abstimmung (die Öffentlichkeit weiß somit nicht, welcher Mann gegen Donnery gestimmt hat) den Italiener Andrea Enria statt ihrer gewählt. Enria ist ein sehr guter Fachmann, sicher. Aber aus Geschlechterperspektive war diese Entscheidung nach Meinung vieler Frauen in der EZB und einiger EU-Parlamentarier ein Schritt zurück.

In dieser Phase publizierte die EZB am Dienstag eine Untersuchung, in der man den markanten Mangel an Frauen in Führungspositionen bei der Notenbank historisch ergründet hat. Dazu griff man auf anonymisierte Daten der Kernbelegschaft, rund 1000 Ökonomen zurück, und zwar für die Jahre 2003 bis 2017. Vor 2012/2013 muss es mit der Chancengleichheit nicht weit her gewesen sein, so die Studie. "Innerhalb einiger Jahre entstanden Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und ähnlichem Einstiegsgehalt." Als Hauptgrund nennen die Autoren die Kindererziehungszeiten, in denen Frauen sich nicht um höhere Posten beworben haben. Gehaltserhöhungen habe es für weibliche EZB-Mitarbeiter deshalb auch kaum gegeben.

Die Studie führt aus, dass sich die Chancengleichheit ab 2013 verbessert habe. Damals führte die EZB eine Frauenquote ein, deren Zielvorgaben bis Ende dieses Jahres erfüllt sein müssen. Dann sollen 28 Prozent aller Positionen im oberen Management bei der EZB mit Frauen besetzt sein (Stand März 2019: 26,5 Prozent). Beim mittleren Management liegt der Zielwert bei 35 Prozent (bislang erreicht: 29,7 Prozent). Schon vor einem Jahr wurde deutlich, dass man die Ziele nicht erreicht. EZB-Präsident Mario Draghi sprach daraufhin ein Machtwort und wies die Personalabteilung an, noch mehr zu tun. Die Headhunter müssen seither erläutern, was sie getan haben, um weibliche Kandidaten zu finden. Wenn eine Ausschreibung nicht genügend Kandidatinnen anzieht, kann sie gestoppt werden. Die EZB stellt nun auch sicher, dass in den Auswahlkomitees für die Besetzung immer Frauen vertreten sind.

"Die Beförderung von Frauen ist inzwischen genauso wahrscheinlich wie die von Männern", heißt es in der Untersuchung. Allerdings würden sich Frauen seltener aus eigenem Antrieb bewerben. Erst mit einem Mentor im Rücken seien sie selbstbewusster und würden in den Ring steigen. In der Studie wird auch darauf hingewiesen, dass die nun bessere Chance für Frauen bei Beförderungen an deren Leistung liege - und nicht etwa an "positiver Diskriminierung". Nichtsdestotrotz gibt es in der EZB einige Männer, die meinen, sie würden inzwischen bei der Besetzung von Führungsposten gegenüber weiblichen Konkurrenten benachteiligt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: