Süddeutsche Zeitung

Studie der Hans-Böckler-Stiftung:Einkommens-Ungleichheit in Deutschland stark gestiegen

Mehr Minijobs, mehr Zeitarbeit, steuerliche Entlastung vor allem für Gutverdiener: Die Einkommensunterschiede in Deutschland sind laut einer Studie seit der Wiedervereinigung deutlich größer geworden. Forscher warnen vor Überschuldung und Altersarmut.

Die Einkommen in Deutschland sind heute deutlich ungleicher verteilt als noch vor 20 Jahren - und schuld daran ist auch das Steuersystem. So lautet das Ergebnis einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde (PDF). Die Untersuchung basiert auf einer jährlichen Befragung von zuletzt 12.000 Haushalten. Die Ungleichheit bei der Verteilung der Haushalts-Nettoeinkommen sei zwischen 1991 und 2010 um knapp 13 Prozent gestiegen, teilte das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) mit.

Gründe dafür seien vor allem der langjährige Anstieg von Minijobs und Zeitarbeit sowie höhere Kapitaleinkommen, von denen überwiegend Wohlhabende profitiert hätten. Gleichzeitig habe das Steuersystem dies nicht ausgleichen können, weil Steuersenkungen vor allem höhere Einkommen und Vermögen entlastet hätten.

Der Spitzensteuersatz sank zwischen 1991 und 2010 um elf Prozentpunkte, der niedrigste Einkommensteuersatz nur um fünf Punkte. Die Vermögensteuer wurde 1997 abgeschafft, Kapitalgewinne werden weniger besteuert. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer 2007 habe zudem einkommensschwache Haushalte überproportional belastet, weil sie einen größeren Teil ihres Geldes direkt ausgeben müssen.

Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt der jüngsten Zeit habe den Trend zu wachsender Ungleichheit aufgehalten, aber nicht umgekehrt. Die Rekordbeschäftigung und die höheren Lohnsteigerungen der vergangenen Jahre wirkten sich zwar positiv auf die Einkommensverteilung aus, sagte IMK-Direktor Gustav Horn. Dies reiche aber nicht, um den langjährigen Negativtrend zu korrigieren. "Das wird nicht ohne mehr Ausgleich im Steuersystem und bessere Regeln auf dem Arbeitsmarkt gehen, um beispielsweise den Niedriglohnsektor einzudämmen."

Sollte sich die Kluft weiter ausweiten, könnte dies laut Studie bedeuten, dass sich die Bezieher niedriger Einkommen stark verschulden und spätestens im Alter staatliche Unterstützung brauchen.

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