Seit Beginn der europäischen Staatsschuldenkrise wächst in der deutschen Bevölkerung die Kritik an der Gemeinschaftswährung und am Euro. Was 2002 mit großen Erwartungen begonnen hat, weckt gut zehn Jahre danach immer mehr Widerspruch. Weil die traditionellen Parteien die Besorgnisse in der Bevölkerung nicht wirklich aufnehmen, hat sich soeben eine neue Partei gegründet. Die Alternative für Deutschland, deren erklärtes Ziel für Deutschland der Austritt aus dem Euro ist, liegt nach ersten Erhebungen bereits bei drei Prozent der Stimmen.
Basis des verbreiteten Unmuts ist die Annahme, ohne den Euro stünden die Deutschen besser da. Diese Ansicht verfestigt sich. In einer im Sommer 2012 durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsumfrage der Bertelsmann Stiftung zum "Wert Europas" meinten 65 Prozent der Deutschen, dass es ihnen im Fall eines Fortbestands der D-Mark heute besser gehen würde.
Merkel stuft Euro als Erfolgsprojekt ein
Auch unter Politikern und Wissenschaftlern wächst die Kritik am Euro. Der einstige Euro-Befürworter Hans-Olaf Henkel ist mittlerweile ein erbitterter Euro-Gegner, der sein 2010 erschienenes Buch mit dem Satz "Wie der Euro-Betrug unseren Wohlstand gefährdet" untertitelte. In der Ende 2011 veröffentlichten "Bogenberger Erklärung" stellen die Unterzeichner, zu denen Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn, Berater-Legende Roland Berger und der frühere Ministerpräsident Sachsens, Georg Milbradt, gehörten, die These auf: "Deutschland ist keinesfalls Eurogewinner". Auch wenn die Genannten nicht den Austritt aus dem Euro propagieren, üben sie heftige Kritik am Euro und an den Rettungsmaßnahmen.
Dem steht die Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenüber, die gemeinsam mit der Mehrheit der Parlamentarier den Euro immer noch als Erfolgsprojekt einstuft - nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich. Auch deutsche Konzernchefs singen das hohe Lied der Vorteile durch den Euro - was ihnen bei vielen Mittelständlern den Vorwurf einbringt, sie seien einzig von den internationalen Interessen ihrer Konzerne geleitet.
Nun bezieht die Bertelsmann Stiftung Stellung, die immer wieder mit groß angelegten Studien die Politik begleitet. Die Stiftung wird an diesem Dienstag auf der Jahrespressekonferenz in Gütersloh die Ergebnisse der Studie "Vorteile Deutschlands durch die Währungsunion" vorstellen ( hier online). Danach sind die wirtschaftlichen Vorteile der Euro-Mitgliedschaft für Deutschland klar zu belegen - selbst dann, wenn ein Großteil der Forderungen durch die verschiedenen Euro-Rettungsmaßnahmen abgeschrieben werden müsste.
Die Berechnungen, durchgeführt von der Prognos AG, lagen der Süddeutschen Zeitung vorab vor. Es handelt sich um sogenannte Szenarienrechnungen bis zum Jahr 2025, die Forscher stellen also Prognosen auf, wie sich die deutsche Volkswirtschaft in den kommenden zwölf Jahren entwickeln wird, je nachdem, ob die D-Mark (heute) wiedereingeführt würde, der Euro wie gehabt fortbestehen bleibt oder sogar zusätzlich die Bürgschaftsmilliarden verloren wären.
Ergebnis: Wenn Deutschland in diesem Jahr eine eigene Währung einführen würde, wäre künftig das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts nach Prognos-Berechnungen jährlich um einen halben Prozentpunkt niedriger. Ohne diesen Wachstumsanteil gäbe es in Deutschland 200.000 Arbeitsplätze weniger. Würden dagegen die von Prognos errechneten Wachstumsvorteile der Euro-Mitgliedschaft zwischen 2013 und 2025 aufaddiert, ergäbe sich ein Gewinn in Höhe von fast 1,2 Billionen Euro.
Die Mitgliedschaft in der Währungsunion reduziert die Kosten des internationalen Handels und schützt zudem vor starken Wechselkursschwankungen. Einziger Vorteil einer eigenen deutschen Währung wäre ein niedrigeres Zinsniveau und damit geringere Produktions- und Investitionskosten.
Trotz Rettungsmaßnahmen überwiegen die Vorteile
Die Vorteile der Gemeinschaftswährung kommen den Berechnungen zufolge auch bei den Bürgern an. Im Durchschnitt beträgt das Einkommensplus je Einwohner zwischen 2013 und 2025 etwa 1100 Euro pro Jahr.
Selbst wenn Deutschland einen Großteil seiner Forderungen abschreiben müsste, die es aufgrund der verschiedenen Euro-Rettungsmaßnahmen gegenüber den stark verschuldeten Staaten Südeuropas hat, überwiegen die wirtschaftlichen Vorteile aus der Währungsunion. Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass im Falle des deutschen Euro-Austritts mit hoher Wahrscheinlichkeit die ganze Währungsunion zusammenbrechen würde. Damit wäre dann wahrscheinlich eine schwere Weltwirtschaftskrise verbunden, deren Konsequenzen unkalkulierbar wären.
Eine Rückkehr zur D-Mark wäre daher selbst bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung schädlich. Für den Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann Stiftung, Aart De Geus, ist die Sache damit klar: "Eine Rückkehr zur D-Mark würde erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Die Deutschen würden Einkommen und Arbeitsplätze verlieren."