Süddeutsche Zeitung

Studie:Das Unternehmer-Gen

Lesezeit: 3 Min.

Eine Dissertation kommt zum Ergebnis: Kinder von Selbstständigen haben gute Chancen, reich zu werden.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Wer wünscht sich das nicht? Ein Vermögen, das ein absolut sorgenfreies Leben garantiert und Erwerbsarbeit im klassischen Sinn auch für nachfolgende Generationen obsolet macht. Davon träumen Millionen Menschen, auch hier in Deutschland. Ratgeber, die mit Tipps & Tricks für den Selfmade-Millionär locken, füllen die Bestsellerlisten seit Jahren. Der Erfolg bleibt angesichts der Verkaufszahlen gelinde gesagt verhalten. Welche Rezepte tatsächlich dazu geführt haben, dass es ein Mensch binnen weniger Jahre zum Millionär oder gar Milliardär schafft, zeigt ein neues Buch von Rainer Zitelmann.

Bei dem kürzlich im Finanz Buch Verlag erschienenen Werk "Psychologie der Superreichen. Das verborgene Wissen der Vermögenselite" handelt es sich um eine Dissertation, in der sich der Unternehmer und Immobilienexperte, wissenschaftlich mit der Vermögenselite befasst. 45 deutsche Multimillionäre und Milliardäre hat Zitelmann ein halbes Jahr lang interviewt und die Ergebnisse aus den Gesprächen im Buch anonymisiert veröffentlicht. Die gute Nachricht vorab: Wer sich zur Unternehmensnachfolge entscheidet, kann häufig mit späterem Reichtum rechnen.

Die finanziellen Startbedingungen der Befragten sagen laut Zitelmann wenig über ihren Erfolg aus. Die Herkunft und die ökonomische Situation im Elternhaus waren nur bedingt ausschlaggebend für den späteren Aufstieg. Die Interviewten (44 Männer und eine Frau), die allesamt mehr als zehn Millionen Euro Vermögen angehäuft haben, stammen zum überwiegenden Teil aus der Mittelschicht, einige sind in Arbeiterfamilien aufgewachsen. Bei den Berufen des Vaters ist alles vertreten, die Palette reicht vom Beamten, Lehrer und Lagerist bis zum Vermessungsingenieur und Chirurg.

Auffallend ist jedoch eine Häufung bei der Erwerbstätigkeit: 27 der befragten 45 Vermögenden, also sechzig Prozent, gaben an, dass ihr Vater selbständig gewesen war. Zum Vergleich: In der deutschen Gesamtbevölkerung macht die Gruppe der Selbständigen lediglich sechs Prozent aus. Es liegt daher nahe, dass im Elternhaus schon früh gelernt wurde, selbständig zu denken. Die Eltern vieler heutiger Top-Vermögender waren Landwirte, Unternehmer und kleine Selbständige. Im Familienbesitz gab es beispielsweise ein Stahlunternehmen, eine Gastronomie, eine Schweinezucht und ein kleines Möbelgeschäft. Im späteren Lebensweg der superreichen Unternehmer und Investoren zeigen sich noch weitere Parallelen.

Die Mehrheit waren in jungen Jahren ehrgeizige Breiten- oder Leistungssportler. "Womöglich lernten sie dadurch, mit Sieg und Niederlage umzugehen und sich gegen Konkurrenten durchzusetzen", schreibt Zitelmann. Die weit verbreitete Annahme, dass sozialer Aufstieg mit sehr hoher Bildung einhergeht, bestätigt die Studie nicht. Tröstlich für alle Schüler und Eltern, die sich angesichts unzureichender schulischer Leistungen mit Zukunftsängsten herumschlagen. Die Mehrheit der Millionäre brachte es tatsächlich nur zu mittelmäßigen Schulleistungen, sieben verfügen lediglich über einen Haupt- oder Realschulabschluss und neun haben Abitur als höchsten Bildungsabschluss.

Diejenigen, die hingegen in der Schule und Universität Spitzenleistungen vollbrachten, zählten später nicht zu den absoluten Top-Vermögenden. Ihren Ehrgeiz und ihr Engagement legten die mehrheitlich im Immobiliengeschäft als Entwickler, Investor oder Bauherr tätigen Personen hingegen früh in die eigene Geschäftstätigkeit. Die Ich-AG hatte also seit jeher hohe Anziehungskraft auf die Teilnehmer. Fast alle Interviewpartner verdienten bereits in jungen Jahren Geld auf ungewöhnliche, unternehmerische Art. Statt selbst für einen niedrigen Stundenlohn als Kellner oder Taxifahrer zu jobben, widmeten sie sich dem Produktvertrieb oder gleich der Organisation von Projekten. Mit Reparaturservice für Fahrräder, Verkauf von Kosmetikartikel oder Autowaschanlagen und Aktienhandel verdienten die spätere Vermögenselite in Schul- und Studienzeit bereits bis zu mehreren Tausend Mark im Monat.

Die meisten wussten zu dem Zeitpunkt schon, dass sie auch nach der Ausbildung fortan kein Angestelltenverhältnis anstrebten. So waren 40 der 45 befragten Hochvermögenden schließlich ihr ganzes oder fast ihre ganzes Leben selbständig. Einige Interviewpartner stiegen in das Familienunternehmen ein, um dieses in der Folge zu übernehmen. Ein Schritt, der ihnen meist bereits von Kindheit an klar war. Einen eigenen, sehr erfolgreichen Karriereweg außerhalb des elterlichen Betriebs verfolgten sie zunächst trotzdem.

Zu Hochvermögenden machte sie allerdings erst die Tätigkeit im Family Business. Seitens der Untersuchung spricht somit einiges für die im Mittelstand beliebte familieninterne Nachfolgelösung. In einem Fall stieg der Befragte, der heute zu den 100 reichsten Deutschen gehört, bereits nach der Realschule mit 16 Jahren in den kleinen Familienbetrieb ein und expandierte zum internationalen Großkonzern.

Dass wer nichts wagt, auch nichts gewinnt, zeigt sich im Kapitel zur Risikoorientierung der Superreichen. Die Mehrheit der Befragten schätzen ihr Risikoprofil als sehr hoch ein, besonders in der Anfangsphase des Vermögensaufbaues. Zu beachten ist allerdings: Wer aufgrund zu großer Risikobereitschaft scheiterte (und eben nicht reich wurde), fand natürlich keinen Eingang in diese Studie. Bei Entscheidungen vertrauen die Unternehmer und Investoren der Studie zufolge ihrem Bauchgefühl, das sich aus den persönlichen Lebenserfahrungen entwickle.

So ein Leben als Superreicher ist natürlich nicht nur mit Siegen, sondern auch mit schmerzhaften Niederlagen verbunden. Entscheidende Erfolgskomponente ist laut Zitelmann - neben ausgeprägtem Optimismus - die Art, mit Krisen umzugehen. Eine Eigenschaft, die insbesondere für Unternehmer von entscheidender Bedeutung sein kann. Die Mehrheit der befragten Firmenlenker berichtet, dass gerade schwere Rückschläge Auslöser für Innovation und Weiterentwicklung waren und sie letztendlich auf Erfolgskurs brachten. So führte eine geplatzte Finanzierungszusage der Hausbank zur bedrohlichen Schieflage des gesamten Betriebs. Die aus der Not geborene kreative Lösung wurde schließlich zum Alleinstellungsmerkmal des Geschäftsmodells. In anderen Fällen kam es zum Verlust von 80 Millionen Euro sowie zu einer Insolvenz. Statt die Schuld bei äußeren Umständen oder Menschen zu suchen, nehmen sich die erfolgreichen Unternehmer selbst in die Verantwortung und fokussieren auf die Problemlösung. Eine Verhaltensweise, die all jenen, deren Traum vom Reichtum nicht in Erfüllung geht, durchaus auch Erfolg bringen kann.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3690364
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.10.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.