Studie:Das Ruhrgebiet fällt zurück

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Zum Jahresende schließt mit Prosper Haniel in Bottrop die letzte Steinkohle-Zeche in Deutschland. Vorher singt der Ruhrkohle Chor noch einmal im Schacht - und wird in 3-D aufgenommen. (Foto: Klaus Görgen/dpa)

Unternehmer vermissen einen Aufholprozess in der Industrieregion.

Kurz vor der Schließung der letzten Steinkohlenzeche hat eine neue Untersuchung dem Ruhrgebiet erhebliche Defizite bei der Bewältigung des Strukturwandels bescheinigt. Das Revier hinke auf vielen Feldern hinterher und sei in den vergangenen Jahren teilweise weiter zurückgefallen, sagte der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, am Montag in Düsseldorf. "Es gibt bislang keinen Aufholprozess." Der industrielle Kern des Reviers schrumpfe ungebremst. Das IW hatte im Auftrag der NRW-Unternehmensverbände die wirtschaftliche Lage des Reviers unter die Lupe genommen.

Das Ruhrgebiet leide unter vielfältigen Problemen. Die Kommunen seien hoch verschuldet, die Arbeitslosigkeit weit höher als in anderen städtischen Regionen, in die Verkehrsinfrastruktur sei seit Jahrzehnten viel zu wenig investiert worden. "Das Ruhrgebiet hat am Boom der deutschen Städte seit der Jahrtausendwende nicht teilgenommen", sagte Hüther.

Bei der Wirtschaftsleistung je Einwohner sei das Revier im Vergleich zu anderen Regionen zwar seit einigen Jahren stabil. Das liege aber vor allem an der rückläufigen Einwohnerzahl. Beim Abbau der Arbeitslosigkeit könne das Ruhrgebiet seit 2012 nicht einmal mit dem NRW-Durchschnitt mithalten. Ein Grund dafür sei die unterdurchschnittliche Erwerbstätigkeit von Frauen.

Scharfe Kritik übte Hüther an der Politik. Sie habe sich "im vergangenen Vierteljahrhundert trotz aller Bekenntnisse tatsächlich kaum wirksam um die Region gekümmert". So seien die Verkehrsprobleme im Ruhrgebiet seit Langem bekannt. Dennoch sei es bei den Investitionen in Straßen und Schienen jahrelang übergangen worden. Nötig sei auch ein wirksames Konzept zur Entschuldung der Kommunen. Die Studie zählt aber auch positive Entwicklungen auf. Dazu zählen die dichte Hochschullandschaft, ein unterdurchschnittlicher Fachkräftemangel und eine relativ gute Position bei der Digitalisierung. Bei einem Ausbau der Verkehrswege könne das Revier seine günstige Lage mitten in Europa stärker nutzen.

Unternehmerpräsident Arndt Kirchhoff forderte, die von der Landesregierung einberufenen Ruhrgebietskonferenz müsse eine echte Aufbruchstimmung erzeugen. "Wir müsse jetzt die Pfunde des Ruhrgebiets herausstellen und nicht in Problemen und Risiken denken." Deutschland könne sich dauerhaft keinen Ballungsraum dieser Größenordnung leisten, dessen Image von hohen Arbeitslosenzahlen oder Stadtteilen mit besonderen sozialen Herausforderungen geprägt werde. "Wir wissen um die Herausforderungen, die das Gutachten klar benennt", sagte der für die Ruhrkonferenz zuständige Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU).

© SZ vom 16.10.2018 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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