Strukturwandel:Kohle fürs Revier

Braunkohleförderung im Lausitzer Revier

Braunkohletagebau Welzow Süd: Spätestens 2038 soll Schluss sein mit der Förderung.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die Regierung genehmigt kurz vor der Europawahl Milliardenhilfen für die deutschen Braunkohle-Reviere. Konkret geht es aber erst einmal nur um ein Sofortprogramm mit 240 Millionen Euro.

Von Markus Balser, Berlin

Noch schaufeln die gewaltigen Bagger in den Braunkohlerevieren. Doch der Kohleausstieg rückt näher. Spätestens 2038 soll Schluss sein. Denn dann geht das letzte Kraftwerk vom Netz. So hatte es nach Dutzenden Treffen, Studien und Gegenstudien eine 28-köpfige Kommission empfohlen - inklusive Hilfen für die betroffenen Regionen. Am Mittwoch brachte nun die Bundesregierung erste Hilfen auf den Weg. Kurz vor der Europawahl wollte die große Koalition ein Zeichen setzen. In die besonders betroffenen ostdeutschen Kohlegebieten in der Lausitz sowie in das rheinischen Revier sollen bis zum Ausstiegsdatum insgesamt rund 40 Milliarden Euro fließen.

Konkret wird die Regierung allerdings nur bei einem kleinen Teil der Zahlungen, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch in Berlin vorstellte. In einem Sofortprogramm hilft der Bund demnach zunächst mit 240 Millionen Euro. Diese Finanzhilfen sollen auf mehrere Regionen verteilt werden: Nordrhein-Westfalen mit dem Rheinischen Revier soll 37 Prozent bekommen, Brandenburg mit dem Lausitzer Revier 26 Prozent. Sachsen, in dem ein Teil des Lausitzer Reviers und des Mitteldeutschen Reviers liegt, bekommt 25 Prozent. Auf Sachsen-Anhalt mit einem Teil des Mitteldeutschen Reviers entfallen noch zwölf Prozent.

Noch bleibt der Großteil der zugesagten Hilfen vage

Bis zuletzt hatte es heftige Diskussionen gegeben, ob auch weitere westdeutsche Regionen profitieren sollen. Vor allem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hatte das gefordert. Der Kompromiss sieht nun vor, dass auch 90 Millionen Euro für das Helmstedter Revier in Niedersachsen zur Verfügung stehen - und bis zu eine Milliarde für strukturschwache Standorte mit Steinkohlekraftwerken. Das könnte vor allem dem Saarland helfen.

Ziel von Kommission und Regierung ist es, mit dem Geld Jobs zu schaffen und anzuziehen. So sollen Forschungsinstitute und Industriebetriebe angesiedelt sowie Straßen und Schienenwege neu gebaut werden. Regierung und Koalition wollen mit dem Programm auch der AfD Wahlkampfmunition nehmen, die vor einem Absturz der betroffenen Regionen gewarnt hatte. "Wir haben zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte auf einen Strukturwandel reagiert, bevor er eingetreten ist", sagte Altmaier. Die Angstmacherei populistischer Parteien breche nun wie ein Kartenhaus zusammen.

In der Lausitz und dem Mitteldeutschen Revier in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, dem Rheinischen Revier in Nordrhein-Westfalen und dem Helmstedter Revier in Niedersachsen droht der Wegfall von bis zu 60 000 Jobs. Zudem fallen jährlich 3,3 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung weg. Die Regierung will durch Ansiedlung neuer Behörden etwa 5000 Arbeitsplätze in den Regionen sichern. Genannt wird in den Eckpunkten etwa der Aufbau von Fraunhofer-Instituten und Instituten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in den Regionen.

Der Beschluss der Regierung ist allerdings nur der erste Schritt. Sie braucht für die Pläne die Zustimmung des Bundestags. Die vorgelegten Eckpunkte sollen Teil eines Strukturhilfegesetz sein, das in den kommenden Monaten beschlossen werden und Anfang des nächsten Jahres in Kraft treten soll.

Noch aber bleibt ein Großteil der Hilfen vage. So ist in den Eckpunkten von einem geplanten "Investitionsgesetz Kohleregionen" die Rede, durch das bis zu 14 Milliarden Euro in die Länder fließen sollen. Die sollen sich dann mit eigenen Mitteln an den Projekten beteiligen. Bis zu 26 Milliarden Euro will der Bund selbst in Projekte stecken - etwa bei Forschung und Verkehr. Das Verkehrsministerium soll dazu noch ein "Bundesverkehrsinfrastrukturgesetz Kohleregionen" vorlegen.

Der FDP-Politiker Martin Neumann warf der großen Koalition vor, sie wolle die Kohleregionen vor den Landtagswahlen im Osten in diesem Herbst "mit teuren Wahlgeschenken ruhig stellen". Die Zeche zahlen dürfen die Steuerzahler, sagte er. Der Kohleausstieg könnte noch teurer werden als das Programm. In den 40 Milliarden Euro sind Entschädigungen für die Kraftwerksbetreiber bei vorzeitiger Abschaltung ihrer Anlage noch nicht enthalten. Die Verhandlungen dazu laufen und sollen letztlich Ende des Jahres ebenfalls in ein Gesetz münden. Dies wird wohl weitere Milliarden-Beträge kosten.

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