Es geht nicht nur um Opel. Denn Opel ist Bochum.
(Foto: dapd)Weiler sieht die Dinge nüchtern. Der Abbau der industriellen Arbeitsplätze werde weitergehen, sagt er. Deshalb müsse die Stadt gegensteuern und neue Industrien ansiedeln. Der Trend gehe weg von der Arbeit mit den Händen zu "wissensbasierten Arbeitsplätzen". Da kann die Universität eine Menge tun. Sie hat schon dafür gesorgt, dass sich neue Firmen auf dem Campus und rundum angesiedelt haben. Das müsse weitergehen. Die Stadt müsse Anreize für Investoren bieten, sagt er. "Wir können nicht erwarten, dass die Unternehmen Schlange stehen." Weiler engagiert sich, weit über die Universität hinaus. Wer am Bahnhof ankommt, wird von einem Plakat begrüßt, auf dem der Professor gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin für die Stadt wirbt. "Wir wollen es wissen. Exzellenz für Bochum" steht darauf.
Er wurde hier geboren, hat in Bochum studiert, und auch als Wissenschaftler hat er "seine" RUB nur für kurze Zeiten verlassen. Rufe anderer Universitäten lehnte er ab. "Ich bin jetzt in der Phase, wo ich etwas zurückgeben kann." Und zurückgeben, das heißt für ihn auch, der Stadt ein neues, innovatives Image zu verleihen, die Universität stärker in den Köpfen zu verankern. Er hoffe, "dass es in Bochum bald einen Stadtteil gibt, der ,Campus' heißt". So wie es ja auch ein Viertel mit Namen Stahlhausen gibt. Die Universität, so sieht es Weiler, könne der Stadt "einen Grund geben, stolz zu sein".
Für den Stolz sorgt auch eine andere Institution: das Schauspielhaus. Bombastisch steht es an der Kreuzung von Königsallee und Oskar-Hoffmann-Straße. Intendant Anselm Weber sagt, sein Theater sei "wie eine Titanic auf dem Starnberger See". Ein großes Theater, im wahren Wortsinn, mit 800 Plätzen, eine der angesehensten Bühnen der Republik. Nur ist sie inzwischen arm - wie die Stadt. Am Eingang steht ein Plakat mit einer Entschuldigung. Einige Sessel im Theater seien verschlissen. "Leider sind wir nicht in der Lage, alle betroffenen Stühle zeitnah auszubessern."
Durchgewetzte Sitze, es fehlt das Geld
Anselm Weber, 1963 in München geboren, muss den Ruhm des Hauses erhalten, der von großen Vorgängern wie Peter Zadek oder Claus Peymann in den siebziger und achtziger Jahren gelegt wurde. Und er muss Bochum helfen, nicht in Depression zu versinken. In seinem nüchternen, rundherum weißen Arbeitszimmer, dessen einziger Farbklecks ein langer Besprechungstisch mit roter Platte ist, hängt ein Zettel, mit dem großgeschriebenen Satz: "Klingt logisch. Ist aber so." Sieht so aus, als habe Weber ein unverkrampftes Verhältnis zur Realität.
Krisengerede mag der Theatermann nicht. Bevor er 2010 hierher kam, war er fünf Jahre am Theater in der Nachbarstadt Essen, der es auch nicht besser geht als Bochum. "Ich rede seit acht Jahren ständig über Geld. Na, und?", sagt er. Für die Menschen hier sei die Krise ein Dauerzustand. Da könne er sich nicht einreihen und mitklagen. "Menschen in der Krise wollen nicht dauernd die Krise sehen." Doch dann macht der Intendant eine Rechnung auf, die als Warnung an die Stadt- und Landespolitiker verstanden werden kann. Die könnten es mit dem Sparen auch übertreiben, sagt er. Die Kunst sei der Mittelpunkt des Lebens. "Wenn man die Region im Stich lässt, sind die Folgekosten viel größer." Dann sähe es in den Ruhrstädten bald aus wie in den Zentren mancher US-Stadt. Ohne Leben und leer.
Am Ende bleibt ein Lebensgefühl
"In dieser Region leben 160 Nationen nebeneinander - friedlich", sagt Weber und setzt ein Lächeln auf. "Das ist doch eine Leistung." In Bochum müsse sich niemand nachts auf der Straße Sorgen um die eigene Sicherheit machen. Das müsse so bleiben, dazu will er beitragen: "Man kann doch hier nicht einfach die Tür zumachen."
Da klingt der Kulturmann Weber so ähnlich wie der Kultwürstchenbrater Ostendorp in Wattenscheid. Der glaubt zu wissen, dass sich die Menschen hier ihren Optimismus bewahren - auch in der Krise. "Der weicht nicht", versichert er. Wenn der Grill-Chef über das Ruhrgebiet und seine Menschen philosophiert, fragt er nach jedem dritten Satz: "Haben Sie das verstanden?" Er sagt das dann so schnell, dass die Frage nur aus drei Silben zu bestehen scheint: "Haverstann?"
Ostendorp gehen Sätze wie "Das Ruhrgebiet ist Tradition und Hoffnung zugleich" so locker über die Lippen, weil er sie schon oft in Mikrofone gesprochen hat. Ganz ähnlich auch der Begriff "Lebensgefühl Ruhrgebiet". Und was ist das? Da muss sogar der Currywurstphilosoph nachdenken. Minutenlang sucht er nach dem richtigen Wort. Dann sagt er unsicher: "Das ist so was wie geborgen sein" Sofort schüttelt er den Kopf. Er weiß, so stimmt es nicht ganz genau. Die Sache mit dem Wirgefühl ist auch für Experten nicht einfach.