Für die Kunden war es eine ausgesprochen gute Nachricht, als Deutschland vor 18 Jahren den Strommarkt öffnete. Die regionalen Monopole von Energiekonzernen und Vor-Ort-Versorgern wurden abgelöst durch einen bundesweiten Wettbewerb. Ein Kunde aus Stuttgart konnte nun zu einem Versorger aus Schwerin wechseln, wenn dieser einen besseren Preis anbot. Die Vergleichsportale, die schon wenig später aufkamen, machten Wechsel noch einfacher. Doch viele Kunden fühlen sich überfordert von der Flut an Anbietern und Tarifen. Eine zweite Wahrheit ist: Sie sind zu träge und kündigen die Verträge nicht regelmäßig. Ist der Bonus aus dem ersten Jahr weg, wird der Vertrag jedoch oft teuer. Energieversorger verdienen mit solchen Kunden dann besonders viel Geld.
Doch nun könnte neue Bewegung in den Markt kommen. Verivox, eines der großen Portale, greift solche Geschäftsmodelle mit einem neuen Angebot an. Wer es bucht, soll seine Verträge nicht mehr im Blick behalten müssen. Verivox erinnert die Kunden an den Wechsel und schlägt billigere Tarife vor, die der Kunde am Telefon abschließen kann. Das Portal spricht von einer Beratung, "die dem Kunden alle Formalitäten abnimmt". Neben Strom und Gas schließt das Angebot auch die Kfz-Versicherung und DSL ein. Der Extraservice kostet 30 Euro im Jahr. Im Gegenzug garantiert Verivox mindestens 250 Euro Ersparnis im ersten und 100 Euro in den Folgejahren. Klappt das nicht, bekommt der Kunde die Gebühr zurück. Auch andere Tarife, etwa Ökostrom, sollen wählbar sein.
Verivox, das seit vergangenem Jahr mehrheitlich zu Pro Sieben Sat 1 gehört, hat 2014 etwa 56 Millionen Euro umgesetzt und einen Gewinn von knapp zehn Millionen Euro ausgewiesen. Das Portal verdient Geld, wenn der Anbieter für vermittelte Verträge eine Provision zahlt. Bei Strom und Gas sind es bis zu 80 Euro, heißt es in der Branche. Unter Verbraucherschützern hat das Unternehmen allerdings nicht nur Freunde. Für den Kunden sei wegen der Provisionen oft nicht zu erkennen, ob die Ranglisten objektiv sind, kritisieren Beobachter. Ein Beispiel: Auf dem obersten Platz findet sich bei Verivox nicht immer der günstigste Anbieter, sondern die bezahlte Anzeige eines teureren Tarifs.
Auch Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gehört zu den regelmäßigen Kritikern. Doch nun spricht er von einer "Hammernachricht". Zumindest den Energiemarkt könnte das neue Angebot kräftig durchrütteln, sagt er. Dort ist das Portal nach eigenen Angaben Marktführer. Das Geschäftsmodell vieler Anbieter funktioniere bislang nur, "weil Kunden zu träge oder zu gutgläubig sind", sagt Sieverding. Wenn ein Portal die Kunden nun an den Wechsel erinnert, würde sich das Problem erübrigen. Für die Kunden also eine gute Nachricht.
Doch Sieverding hat auch Bedenken, etwa was die Transparenz angeht: "Die Kunden kriegen nun noch weniger mit, was Verivox an ihnen verdient", sagt er. Das Portal garantiere zwar eine Ersparnis, aber nicht den besten Preis. Die Kunden könnten daher nicht erkennen, ob die Angebote wirklich unabhängig sind. Für "nicht akzeptabel" hält er auch die AGB. Verivox könne sein Angebot "jederzeit ändern oder sogar ganz einstellen". Ein weiteres Problem: der Datenschutz. Schon jetzt hätten viele Portale eine echte "Sammelwut". Und durch ein gebündeltes Angebot für Energie, Versicherungen und Internet würde das Portal noch mehr Daten bekommen.