Süddeutsche Zeitung

Smart Home:Wie Stromverbrauch in Zukunft gemessen wird

Viele Haushalte bekommen in den nächsten Jahren einen Smart Meter. Die Geräte erfassen den Stromverbrauch im Viertelstundentakt - haben aber auch einen großen Nachteil.

Von Ralph Diermann

Wenn die Sonne scheint oder ein kräftiger Wind weht, sparen Haushalte bei einigen Stromversorgern Geld. Dann nämlich laufen die Photovoltaik-Anlagen oder Windräder auf Hochtouren. Das schlägt sich meist in niedrigen Preisen an der Strombörse nieder, an der sich die Versorger eindecken. Diesen Vorteil geben manche Unternehmen an ihre Kunden weiter. Die Haushalte bekommen so einen Anreiz, Strom gezielt dann zu verbrauchen, wenn gerade viel davon verfügbar ist - etwa, indem sie an sonnigen Tagen ihren Geschirrspüler in den Mittagsstunden laufen lassen.

Allerdings genügt es für solche Tarife nicht, den Stromverbrauch wie üblich nur einmal im Jahr abzulesen. Die Versorger müssen die Daten viel engmaschiger erfassen. Das tun die Unternehmen mithilfe sogenannter Smart Meter, die ihre Kunden installiert haben. Sie nehmen damit vorweg, was nach dem Willen der Bundesregierung demnächst für zahlreiche Haushalte zur Pflicht wird - sie müssen ihre alten schwarzen Retro-Stromzähler mit der Drehscheibe in den nächsten Jahren durch Smart Meter ersetzen lassen.

Wenn mit Sonne und Wind gerade viel Strom erzeugt wird, müssen Kunden weniger zahlen

Die smarten Messsysteme bestehen aus zwei Komponenten: einem digitalen Zähler, der den Stromverbrauch im Zeitverlauf erfasst, sowie einem Kommunikationsmodul, auch als Gateway bezeichnet, das diese Daten im Viertelstundentakt per Mobilfunk oder Internet an den Stromversorger und den Netzbetreiber übermittelt. Letzteres soll für mehr Sicherheit im Energiesystem sorgen. Wenn nämlich die Stromversorgung künftig weitestgehend von Windrädern und Photovoltaik-Anlagen abhängt, kommt es häufiger zu Engpässen und Überkapazitäten im Netz. Um darauf reagieren zu können, müssen die Netzbetreiber genau wissen, wo gerade wie viel Strom verbraucht wird. Zudem sollen Smart Meter helfen, den Stromverbrauch an die Erzeugung anzupassen.

Einen digitalen Zähler ohne Kommunikationsmodul, im Behördendeutsch "Moderne Messeinrichtung" genannt, erhält bis 2032 jeder Haushalt in Deutschland. Der Austausch erfolgt in der Regel, wenn die Eichfrist der alten Geräte ausläuft. Die Kosten für die digitalen Zähler - die Eigentum des Betreibers der Messstelle, oft das örtliche Stadtwerk, bleiben - hat der Bund auf maximal 20 Euro im Jahr begrenzt. Damit sind sie etwas teurer als die analogen Zähler. Einen Mehrwert bekämen die Haushalte dafür aber nicht, sagt Kai Karolin Hüppe, Smart-Meter-Expertin des Beratungsunternehmens Arthur D. Little. "Die Kunden könnten die erfassten Daten theoretisch zwar selbst auslesen, etwa um einen besseren Überblick über ihren Stromverbrauch zu bekommen. Das ist aber enorm kompliziert", erklärt Hüppe. Die Pflicht zum Einbau der digitalen Geräte sei jedoch trotzdem sinnvoll: "Die Zähler können dann später bei Bedarf schnell und einfach zu einem Smart Meter erweitert werden."

Und wer soll das Gesamtpaket bekommen, also den digitalen Zähler plus das Kommunikationsmodul? Zum einen all diejenigen Haushalte, die mehr als 6000 Kilowattstunden Strom im Jahr verbrauchen. Ob auch Kunden mit einem geringeren Verbrauch einen Smart Meter erhalten, entscheiden die Betreiber im Einzelfall. Unabhängig vom Verbrauch gilt die Einbaupflicht künftig zudem für Hausbesitzer, die eine Wärmepumpe oder eine Ladestation für ein Elektroauto installiert haben - vorausgesetzt, die Anlagen sind fernsteuerbar, sodass die Netzbetreiber den Strombezug bei Bedarf kurzzeitig unterbrechen können. Wie bei den digitalen Zählern sind die Kosten der Smart Meter gedeckelt: Kunden mit einem jährlichen Verbrauch zwischen 6000 und 10 000 Kilowattstunden zum Beispiel sowie Haushalte mit steuerbarer Wärmepumpe oder Ladestation müssen maximal 100 Euro im Jahr für den Smart Meter zahlen. Bei einem Verbrauch zwischen 2000 und 3000 Kilowattstunden sind es höchstens 30 Euro.

Darüber hinaus sollen in den nächsten Jahren auch alle Eigentümer privater Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von mehr als sieben Kilowatt einen Smart Meter erhalten. Susanne Jung, Geschäftsführerin des Solarenergie-Fördervereins Deutschland (SFV), ärgert das. "Die Smart-Meter-Pflicht verursacht Kosten, ohne dass die Betreiber der Photovoltaik-Anlage davon einen Nutzen haben", erklärt sie. Die Vorgabe gilt nicht nur für neue, sondern auch für sämtliche bestehende Anlagen. Dabei müssen die Eigentümer aber nicht selbst aktiv werden, die Messstellenbetreiber kommen auf sie zu. Die Kosten für den Smart Meter dürfen 100 Euro im Jahr nicht überschreiten. Bei einer typischen Betriebsdauer von 25 Jahren summiert sich das bei Neuanlagen über die Zeit auf insgesamt bis zu 2500 Euro - ein dicker Brocken gemessen an den Installationskosten, die bei einer Acht-Kilowatt-Anlage zum Beispiel heute nur noch gut 13 000 Euro brutto betragen. "Das muss bei der Kalkulation der Wirtschaftlichkeit einer Anlage berücksichtigt werden", betont Jung.

Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die Einbaupflicht vor Kurzem per Eilbeschluss vorläufig auf Eis gelegt, weil das für die Zulassung der Smart Meter zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nach Ansicht der Richter bei der Lizenzierung nicht streng nach Gesetz vorgegangen ist. Bereits eingebaute Smart Meter dürfen aber in Betrieb bleiben. Geklagt hatte ein Anbieter, dessen Produkt nicht für den Einbau zugelassen ist. Das Hauptsacheverfahren in dieser Angelegenheit ist derzeit vor dem Verwaltungsgericht Köln anhängig. Sollten die Richter zum gleichen Ergebnis kommen, muss das Zulassungsverfahren neu starten. Abgesagt wird die Smart-Meter-Einführung damit aber nicht - es kommt lediglich zu einer Verzögerung.

So oder so gilt: Wehren können sich die betroffenen Haushalte gegen den Einbau eines Smart Meters nicht. Allerdings haben sie die Möglichkeit, einen anderen Messstellenbetreiber zu beauftragen. Dabei sollten sie aber genau auf die Kosten schauen, sagt Martin Brandis von der Energieberatung der Verbraucherzentrale. "Denn die gesetzlich festgelegten Preisobergrenzen greifen nicht, wenn man den Messstellenbetreiber wechselt", erklärt der Verbraucherschützer. Galt das Recht zur freien Wahl des Anbieters bis Ende 2020 auch für Mieter, so dürfen seit Jahresbeginn nur noch die Vermieter darüber bestimmen. Dabei müssen sie jedoch ausschließen, dass ihren Mietern durch einen Betreiberwechsel Mehrkosten entstehen.

Schalten Senioren am Morgen die Kaffeemaschine nicht ein, werden Angehörige informiert

Vermieter können ebenso wie die Eigentümer selbst genutzter Immobilien aber auch auf eigene Faust einen Smart Meter installieren lassen. "Und auch Mieter haben das Recht dazu", betont Brandis. Doch warum sollte jemand freiwillig die teurere Mess-Variante einbauen lassen - zumal hier die Kostenobergrenzen nicht gelten? Börsenpreisabhängige Stromtarife dürften da für die meisten Kunden kein allzu großer Anreiz sein. "Der Nutzen zeitvariabler Tarife ist überschaubar, weil Haushalte ihren Verbrauch nur in sehr begrenztem Maße verschieben können", erklärt Hüppe. Anders sehe es allerdings aus, wenn sie eine Wärmepumpe oder eine Ladestation betreiben. "Dann nämlich können sie mithilfe des Smart Meters gezielt dann Wärme erzeugen oder ihr Auto laden, wenn der Strom gerade günstig ist", sagt die Expertin. Das Bundeskabinett hat kürzlich beschlossen, dass künftig jeder größere Stromversorger einen dynamischen Tarif für Smart-Meter-Kunden anbieten muss.

Von den Visualisierungsmöglichkeiten, die Smart Meter vielfach bieten, profitieren dagegen alle Kunden. Über eine App oder ein Webportal können die Haushalte ablesen, wann sie wie viel Energie verbrauchen. Auch einen Warndienst für Angehörige älterer Menschen bieten einige Versorger an. Bleiben etwa morgens Toaster und Kaffeemaschine unbenutzt, werden Verwandte informiert. Nützlich sind Smart Meter zudem mit Blick auf die Abrechnungen. Da die Versorger stets den aktuellen Stromverbrauch kennen, können sie auf pauschale Abschläge verzichten. Auch Nachzahlungen sind damit ausgeschlossen. Nicht zuletzt entfällt das jährliche Ablesen des Stromverbrauchs, da die Daten automatisch übertragen werden.

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