Strompreise:Lindner will Industrie bei Stromkosten entlasten

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"Um unseren Wohlstand zu sichern, muss energieintensive Produktion weiter möglich sein in Deutschland", sagt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Energieintensive Unternehmen sollen sich weiterhin einen Teil ihrer Stromkosten erstatten lassen können. Das geht aus einem Papier des Bundesfinanzministeriums hervor.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Hohe Energiepreise belasten derzeit Privathaushalte und Unternehmen - und angesichts des Ukraine-Kriegs und der gedrosselten Gaslieferungen aus Russland wird sich die Lage eher noch zuspitzen. Gerade erst hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Alarmstufe für die Gasversorgung ausgerufen - unter anderem sollen nun wieder mehr Kohlekraftwerke eingesetzt werden zur Stromerzeugung, um Erdgas zu sparen. Schon bald könnte es zudem erlaubt werden, dass Energieversorger ihre rasant gestiegenen Beschaffungspreise trotz anderslautender Langfrist-Verträge an ihre Kunden weiterreichen können.

Vor dieser Kulisse will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nun die energieintensive Industrie bei den Strom- und Energiekosten in den kommenden zwei Jahren um mehrere Milliarden Euro entlasten. Das geht aus einem Papier seines Ministeriums vor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Im Zentrum steht dabei der sogenannte Spitzenausgleich. Den bekommen energieintensive Betriebe seit 2012; seit 2013 allerdings nur noch unter der Bedingung, dass sie ihren Energieverbrauch nachweislich verringern. Konkret können sich die Betriebe einen Teil der von ihnen in einem Jahr gezahlten Energie- beziehungsweise Stromsteuern auf Heizstoffe und Strom vom Staat erstatten lassen. Neben dem Spitzenausgleich sieht das Stromsteuergesetz noch eine allgemeine Steuerentlastung für Unternehmen vor. Die Betriebe erhalten sozusagen je Megawattstunde einen Steuerrabatt, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Genau wie der Spitzenausgleich würde auch diese Regelung eigentlich Ende des Jahres auslaufen. Lindner will nun beides für die Jahre 2023 und 2024 verlängern. Kosten: knapp 2,9 Milliarden Euro im Jahr.

"Mir ist es wichtig, die energieintensive Industrie nicht alleinzulassen", sagte der Finanzminister der SZ. "Um unseren Wohlstand zu sichern, muss energieintensive Produktion weiter möglich sein in Deutschland." Deshalb garantiere man den betroffenen Unternehmen "Planungssicherheit hinsichtlich der Energiepreise und eine deutliche finanzielle Entlastung".

In Lindners Haushaltsentwurf für 2023 sind die Entlastungen schon abgebildet

Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sven-Christian Kindler, sagte: "Wir sind in einer Notlage. Es ist gut, wenn der Finanzminister Spielräume im Haushalt identifiziert hat." Nun müsse man "gemeinsam in der Koalition beraten, welches der beste Weg ist, dieses Geld zur Bekämpfung der aktuellen Krisen einzusetzen". Insbesondere Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen seien und wenig Einkommen hätten, müssten zusätzlich unterstützt werden. Mit Blick auf die Wirtschaft gibt er zu bedenken: "Wir haben schon ein milliardenschweres Programm für die Unterstützung der energieintensiven Industrie. In dieser Gas-Notlage müssen wir von staatlicher Seite harte Anforderungen für Energieeffizienz bei der Industrie stellen."

Hier wird viel Energie gebraucht: Edelstahlstahlschmelze in Freital in Sachsen. (Foto: Sylvio Dittrich/imago)

Zuspruch kommt von der Opposition im Bundestag. "Spät, aber gerade noch rechtzeitig kommt der Finanzminister einer unserer Forderungen nach", sagte Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Es sei "dringend geboten, die Stromkosten weiterhin zu dämpfen". Angesichts der galoppierenden Energiepreise müsse die Industrie auch künftig über den Spitzenausgleich bei den Strompreisen entlastet werden: "Damit gibt es auch in den kommenden zwei Jahren Planungssicherheit."

Laut Finanzministerium profitieren vom Spitzenausgleich rund 9000 Unternehmen, von der allgemeinen Steuerentlastung auf Energie 33 000 - etwa in der chemischen Industrie, der Kunststoff- oder Metallerzeugung, der Glas- und Keramikproduktion oder der Automobilbranche. Neben der Industrie werden auch Bergbauunternehmen entlastet und Betriebe in der Energie- und Wasserversorgung sowie im Baugewerbe.

Bei der Stromsteuer geht das Ministerium von Mindereinnahmen für den Staat von jährlich 1,5 Milliarden Euro für den Spitzenausgleich aus; für die allgemeinen Entlastungen kommt eine weitere Milliarde hinzu. Bei der Energiesteuer sind es 180 Millionen Euro für den Spitzenausgleich und 177 Millionen für die allgemeine Entlastung. Aus dem Papier des Ministeriums geht hervor, dass diese Mindereinnahmen in der kürzlich aktualisierten Steuerschätzung bereits berücksichtig sind - weil es auch in der Vergangenheit Verlängerungen der Regelungen gegeben habe.

In Lindners Haushaltsentwurf für 2023 sind die Entlastungen ebenfalls schon abgebildet. Neben den knapp 2,9 Milliarden für den Spitzenausgleich und die allgemeine Steuerentlastung beim Energie- und Stromverbrauch ist sogar noch eine weitere Entlastung im Haushalt vorgesehen: für bestimmte energieintensive Prozesse und Verfahren wie etwa die Glas-, Beton- oder Zementherstellung oder die Produktion von Metallerzeugnissen. Dafür sind Mindereinnahmen von 1,4 Milliarden Euro eingeplant. Zusammen macht das also 4,3 Milliarden Euro im Jahr an steuerlichen Entlastungen für die energieintensive Industrie.

Lindner will die notwendigen gesetzlichen Regelungen nun kurzfristig vorlegen. Das Gesetzgebungsverfahren werde "rechtzeitig abgeschlossen werden", heißt es in dem Papier. Ende diesen Jahres soll dann auch die "beihilferechtliche Freistellungsanzeige" bei der EU erfolgen - bei den Entlastungen handelt es sich nämlich um staatliche Beihilfen, die von Brüssel genehmigt werden müssen.

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