Süddeutsche Zeitung

Strompreise:EU-Kommission will Deutschland in zwei Strompreiszonen teilen

  • Die EU-Kommission droht laut einem Zeitungsbericht damit, Deutschland in zwei Strompreiszonen aufzuteilen.
  • Grund ist das starke Nord-Süd-Gefälle bei der Ökostromerzeugung, über das sich mittlerweile auch Nachbarländer beschweren.
  • Setzt die Kommission ihre Überlegungen in die Tat um, würde Strom in Süddeutschland deutlich teurer als im Norden.

Von Vivien Timmler

Die Lage auf dem deutschen Strommarkt ist verzwickt: Ein großer Teil der Windkraftanlagen steht im Norden des Landes, genauer gesagt im Nordosten. Die Windparks produzieren zeitweise mehr Strom, als in diesen Regionen verbraucht werden kann. Diese überschüssige Energie könnte gut nach Süddeutschland transportiert werden, wo der Bedarf hoch, die Anzahl der Windkraftanlagen aber gering ist - eigentlich.

Denn das deutsche Stromnetz hat nicht genug Kapazitäten, um den im Norden erzeugten Strom über Hochspannungsleitungen in den Süden fließen zu lassen. Der Netzausbau kommt trotz Milliardeninvestitionen zu langsam voran. Das bemängeln seit Jahren einige Nachbarländer Deutschlands, die deswegen ihren Strom nicht in den Süden verkaufen können, und jetzt auch die EU-Kommission.

Einem Bericht der Welt am Sonntag zufolge droht die Kommission Deutschland damit, das Land in zwei Strompreiszonen aufzuteilen. Damit würde Strom im Süden deutlich teurer als im Norden. Bereits im Februar hatte es ähnliche Überlegungen in Brüssel gegeben, die jedoch wieder verworfen wurden. Deutschland versichert, den Ausbau der großen Nord-Süd-Trassen voranzutreiben. Mittlerweile zeichnet sich jedoch ab, dass viele der großen Stromautobahnen bis zum geplanten Atomausstieg im Jahr 2022 nicht fertig werden dürften.

Nachbarländer beschweren sich über Deutschland

Die Überlegungen der EU-Kommission fußen dem Zeitungsbericht zufolge außerdem auf den Beschwerden einiger Nachbarländer Deutschlands. Dänemark etwa würde gerne mehr Strom nach Süddeutschland exportieren - kommt aufgrund der deutschen Netzengpässe aber nicht zum Zuge. Auch in Polen und Belgien gibt es zunehmend Probleme, weil die norddeutsche Überproduktion die Übertragungsnetzwerke dieser Länder belastet.

Immer häufiger sehen sich die Netzbetreiber deshalb gezwungen, Windparks im Norden ab- und dafür Kernkraftwerke im Süden anzustellen. Sie wollen damit vermeiden, dass der innerdeutsche Energiehandel zusammenbricht. Mit dem geplanten Aus der letzten Atomkraftwerke im Jahr 2022, die überwiegend südlich des Mains stehen, dürfte auch das schwieriger werden. Von einem Zwei-Preiszonen-System verspricht sich die EU-Kommission deshalb neue Anreize für den Bau von Windkraftanlagen im Süden Deutschlands.

DIW-Forscher raten von Zwei-Preiszonen-System ab

Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) haben sich bereits im Februar klar gegen zwei Preiszonen auf dem deutschen Strommarkt ausgesprochen. Sie fürchten, dass das lediglich die Unsicherheit auf dem Markt erhöhe und die erhofften Anreize ausblieben. Weiter haben DIW-Forschungen ergeben, dass die Preisunterschiede zwischen den Zonen nicht groß genug wären, um daraus abzuleiten bedarfsgerechte Investitionen für neue Kraftwerke abzuleiten.

Als völlig neu oder unrealistisch gelten die Überlegungen der EU-Kommission jedoch nicht. Bereits im Jahr 2011 hat sie den schwedischen Strommarkt zerlegt. Seitdem gibt es in dem skandinavischen Land vier Strompreiszonen.

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