Süddeutsche Zeitung

Stromnetze:Beschleunigung mit Umwegen

Ein Gesetz soll den Stromnetz-Bau antreiben. Doch es hat einen Haken. Wasserstoff, der mit Brennstoffzellen ein Auto antreibt oder Häuser wärmt, würde mit den Kosten der Stromnetze belastet.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wenn es beim Ausbau der Stromnetze schon hakt, sollte es mit einem Beschleunigungsgesetz wenigstens ganz schnell gehen. Der Bundesrat billigte eine verkürzte Frist, damit das "Netzausbaubeschleunigungsgesetz", kurz Nabeg, schnell in Kraft treten kann. Und dann das.

Vorigen Dienstag schlug Schleswig-Holstein Alarm. Der Grund: "eine in der Schlussphase der parlamentarischen Beratung aufgenommene Formulierung", wie es in einer Mail des Landes an die anderen Länder heißt. Danach würden auch auf Strom, der zur Herstellung von Wasserstoff genutzt wird, Netzentgelte fällig - jedenfalls dann, wenn aus dem Wasserstoff nicht anschließend wieder Elektrizität gewonnen wird. Wasserstoff, der mit Brennstoffzellen ein Auto antreibt oder der Häuser wärmt, wäre damit zusätzlich mit den Kosten der Stromnetze belastet. "Eine kleine Regelung mit gravierender Wirkung!", schrieb Ingbert Liebig, Schleswig-Holsteins Bevollmächtigter beim Bund. Denn die Idee, den Ökostrom so auch für Verkehr und Wärme zusätzlich zu nutzen, würde unnötig erschwert. "In der Praxis", so appellierte auch Landes-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) an seine Länderkollegen, "werden die bisherigen Ansätze für eine sektorübergreifende Nutzung von Wasserstoff unwirtschaftlicher gestaltet."

Aber was machen die Länder, wenn ein Gesetz den Bundestag bereits passiert hat, sie aber Änderungen wollen? Genau: Sie rufen den Vermittlungsausschuss an. Einen entsprechenden Antrag hat Schleswig-Holstein nun gestellt, auch andere Länder sind entsetzt über die Änderung im Gesetz. Allerdings wollen alle Länder auch einen schnelleren Netzausbau.

Diesen Freitag müssen sie sich mit dem Thema befassen - und mit einem Angebot des Bundes. Der will die strittige Passage schnell wieder ändern. An ein anderes Gesetz, so heißt es im Wirtschaftsministerium, lasse sich eine Novelle des druckfrischen Gesetzes anhängen. Gab schließlich schon genug Verzögerung beim Netzausbau.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2019
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