Stromnetz:Profit für Betreiber statt für Kunden

Stromleitung

Leitungen im Hochspannungsnetz kosten Betreiber viel Geld. Dafür bekommen sie Netzentgelte, die etwa ein Viertel des Strompreises ausmachen.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Bundesnetzagentur wollte eine Senkung der Durchleitungsgebühren für Elektrizität und Gas durchsetzen - und unterlag vor Gericht. Nun muss die Behörde neu kalkulieren.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Es wäre nicht viel gewesen, vielleicht zehn Euro im Jahr. Aber die geplante Absenkung der Entgelte für Strom- und Gasnetze ist erst einmal vom Tisch. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sie am Donnerstag gekippt. Die zuständige Bundesnetzagentur kann noch Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen - oder muss neu rechnen.

Im Kern geht es um eine Leistung, die sich nicht leicht entlohnen lässt: die Verfügbarkeit eines verlässlichen Strom- und Gasnetzes. Dessen Betreiber bekommen eine garantierte Rendite auf ihr Eigenkapital, alle fünf Jahre festgelegt von der Bundesnetzagentur. Zuletzt machte sie das vor zwei Jahren, für die nächste "Regulierungsperiode". Damals hatte die Netzagentur vor allem auf die niedrigen Zinsen verwiesen, die andere Kapitalanlagen bringen - und die Sätze deutlich gesenkt. "Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass Eigenkapitalgeber so lange ihr Eigenkapital im Netzbetrieb anlegen werden, so lange sich bei unveränderter Risikoneigung keine besseren Anlagemöglichkeiten bieten", befand die zuständige Beschlusskammer. Ein Wagniszuschlag sollte die Marktrisiken abbilden, doch der blieb klein. Das Ergebnis: Für neue Strom- und Gasleitungen sollten die Betreiber noch 6,91 Prozent bekommen, für bestehende Netze 5,12 Prozent. Beim Strom sollten die neuen Sätze 2019 gelten, beim Gas schon 2018.

Eine massive Kürzung war es so oder so: Bislang können die Betreiber der Netze für neue Leitungen gut neun Prozent Rendite in Rechnung stellen, für bestehende mehr als sieben Prozent. 1100 Stadtwerke und Netzbetreiber wollten sich damit nicht abfinden. Sie bekamen Recht.

Denn nach Auffassung des Oberlandesgerichts wurden die Zinssätze "methodisch fehlerhaft ermittelt und festgesetzt". So müsse ein Investor, der Geld in Erhaltung und Ausbau der Netze steckt, "auf eine angemessene Rendite vertrauen können". Die Bonner Behörde aber habe ihre Risikoprämien allein auf historische Daten gestützt, "ohne dabei die Sondersituation des gegenwärtigen Marktumfeldes zu berücksichtigen", urteilte der Kartellsenat. Das Gericht hatte unter anderem ein Gutachten des Wirtschaftsprüfers Martin Jonas herangezogen: Er hatte die Renditen als "grenzwertig niedrig" eingestuft, auch im internationalen Vergleich.

Für Verbraucher sind die Netzentgelte ein nicht unerheblicher Posten. Am Strompreis machen sie rund ein Viertel aus, beim Gas ist es nur geringfügig weniger. Sinkende Renditen für die Durchleitung kommen direkt bei den Verbrauchern an, wenngleich zwei Prozentpunkte weniger für den Einzelnen nicht viel ausmachen: Wer neben dem üblichen Stromverbrauch noch mit Gas heizt, hätte im Jahr gut zehn Euro sparen können - grob, denn genau lässt sich das nicht beziffern. Zumal noch nicht klar ist, wie die Rendite aussieht, sollte die Netzagentur noch einmal neu rechnen. Verbraucherschützer aber sind jetzt schon enttäuscht, sie hätten sich noch weit niedrigere Zinssätze gewünscht. "Vergleicht man die derzeitigen Zinssätze mit dem, was man am Kapitalmarkt verdient, sind das Traumrenditen", sagt Thomas Engelke, Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Diese Renditen erhielten die Netzbetreiber, obwohl sie nicht mal im Wettbewerb stehen.

Das bekümmert auch die Konkurrenz am Strom- und Gasmarkt. Sie drängt schon deshalb auf niedrige Netzentgelte, weil sie eine versteckte Quersubventionierung fürchtet: So könnten Stadtwerke mit den Einnahmen aus ihren Netzen theoretisch auch das restliche Geschäft sponsern, zu Lasten der Wettbewerber ohne eigene Netze. "Das ist ein trauriger Tag für die Verbraucher", sagt Gero Lücking, Geschäftsführer beim Ökostrom-Anbieter Lichtblick. "Das Oberlandesgericht hat sich ohne Not dem Druck der einflussreichen Kläger um Eon und RWE gebeugt."

Vor allem Eon könnte zu den Gewinnern zählen, wenn am Ende höhere Netzentgelte herausspringen. Durch das gerade eingefädelte Geschäft mit dem Konkurrenten RWE wird der Konzern zum größten Verteilnetzbetreiber des Landes und profitiert damit von einer höheren Rendite im Netz. Denn was Verbraucher mehr zahlen müssen, macht bei den Betreibern eine Menge aus: Über die gesamte Fünf-Jahres-Periode, so rechnete das Oberlandesgericht vor, mache jedes einzelne Prozentpunkt Rendite ungefähr eine Milliarde Euro aus.

Die Branche selbst sieht sich in ihrer Kritik nun vollauf bestätigt. Obwohl in Deutschland mit am meisten in die Netze investiert werden müsse, lägen die Entgelte hierzulande auf "einem der letzten Plätze in Europa", sagt Stefan Kapferer, der Chef des Stromverbands BDEW.

Was aber aus den Netzentgelten wird, bleibt auch nach dem Urteil aus Düsseldorf unklar. Konkrete Vorgaben machten die Richter nicht, und rechtskräftig ist das Urteil auch noch nicht. Die Netzagentur darf dazu den Bundesgerichtshof anrufen - wegen der "grundsätzliche Bedeutung".

Offenbar zieht sie das in Erwägung: "Die Netzbetreiber fordern hier hohe Millionenbeträge, die von den Strom- und Gaskunden getragen werden müssen", sagte Behördenchef Jochen Homann. "Wir werden daher eine Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ernsthaft prüfen."

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