Stromkonzerne:Deutscher Energiemarkt steht vor gewaltigem Umbruch

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  • Eon und RWE bereiten eine Neuordnung des deutschen Energiemarkts vor. Eon will das Netzgeschäft der RWE-Tochter Innogy übernehmen.
  • Im Gegenzug will sich RWE stärker auf die Stromherstellung konzentrieren. Mit ihren Plänen gestehen die Energieriesen ein, dass sie beide nicht alles machen können.
  • Kartellbehörden und Gremien der beiden Konzerne müssen dem Plan noch zustimmen.

Von Markus Balser, Berlin, Benedikt Müller und Jan Schmidbauer

Der Energiemarkt steht vor einer spektakulären Neuordnung. Deutschlands größte Versorger Eon und RWE wollen das Geschäft mit Kraftwerken, erneuerbaren Energien und Netzen komplett neu unter sich aufteilen. Eine entsprechende Grundsatzeinigung haben die langjährigen Rivalen am Wochenende erzielt. Demnach will Eon die RWE-Tochter Innogy übernehmen - und wüchse damit zu einem Netzriesen heran, der 45 Millionen Kunden in Europa mit Strom und Gas versorgen würde. Im Gegenzug will sich RWE zu 16 Prozent an Eon beteiligen, wäre mithin größter Aktionär. Allerdings müssen die Kartellbehörden dem geplanten Milliardentausch noch zustimmen.

Mit ihren Plänen gestehen die Energieriesen endgültig ein, dass sie beide nicht mehr alles machen können. Eon und RWE gehörten lange zu den profitabelsten Konzernen hierzulande. Sie betrieben Atom-, Gas- und Kohlekraftwerke und brachten den Strom in die Häuser. Doch spätestens seit der Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima im Jahr 2011 sind die goldenen Jahre der Versorger vorüber. Den Atomausstieg hat Deutschland bereits beschlossen; die neue Regierung will nun auch einen Kohleausstieg beraten. Daher mussten Eon und RWE den Wert ihrer Kraftwerke um Milliarden nach unten korrigieren - und versuchen nun mühsam, mit erneuerbaren Energien zu wachsen.

Strom und Gas
:Eon und RWE mischen den Energiemarkt auf

Die Energieversorger waren lange Rivalen. Nun planen sie einen gemeinsamen Deal: Eon soll weite Teile der RWE-Ökostromtochter Innogy übernehmen.

Nun planen die Rivalen eine Zweiteilung: RWE will Strom erzeugen, trennt sich dafür von den Netzen; Eon will Strom und Gas zu den Kunden bringen, gibt im Gegenzug seine erneuerbaren Energien ab, hätte bald kein Kraftwerk mehr. Die einstigen Riesen spezialisieren sich, notgedrungen. Eon setzt dabei konsequent auf das Netz- und Vertriebsgeschäft. Schon jetzt verkauft der Essener Konzern Strom und Gas an 22 Millionen Kunden in Europa, auch unter der Billigmarke E wie Einfach. Mit Innogy will Eon nun weitere 23 Millionen Kunden übernehmen. Die RWE-Tochter firmiert regional unter Marken wie Envia M, Süwag oder Westnetz. Während Wettbewerber wie die Ökostromfirma Lichtblick vor einem "Megakonzern mit großer Marktmacht" warnen, sehen Verbraucherschützer einer Fusion dieses Vertriebsgeschäfts noch gelassen entgegen. "Ich sehe keinen Nachteil für die Kunden", sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Beim Strom herrsche reger Wettbewerb; viele preisbewusste Kunden wählten ohnehin günstigere Anbieter.

Ob die Wettbewerbshüter die Übernahme genehmigen, ist offen

Gravierend wären die Folgen jedoch auf dem Markt der Netze zu den Häusern. "Wir gehen davon aus, dass die Wettbewerbshüter da genau hinsehen", sagt Sieverding. Mit der Übernahme von Innogy stiege Eon zum mit Abstand größten Verteilnetz-Betreiber in Deutschland auf. Beide Konzerne betreiben hierzulande Stromleitungen mit einer Länge von je 350 000 Kilometern. Das Geschäft ist planbar und lukrativ, da der Staat gewisse Erlöse garantiert. Zuletzt hatte die Bundesnetzagentur die Renditen jedoch gekürzt - viele Betreiber, darunter auch Stadtwerke, klagen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf dagegen. Die Richter wollen am 22. März urteilen.

Dennoch sieht Eon in dem Geschäft Chancen. "Die Netzbetreiber stehen vor Riesenaufgaben", sagt auch Sieverding. Viele Kunden werden selbst vom reinen Verbraucher zum kleinen Produzenten, etwa dank Solarzellen. Und wenn sich die Elektromobilität weiter durchsetzt, werden viele Kunden eine Ladesäule brauchen.

Allerdings ist auch aus Sicht der Bundesregierung offen, ob die Wettbewerbshüter eine Übernahme von Innogy genehmigen würden. Es kommt zum Beispiel darauf an, ob deutsche oder europäische Behörden zuständig wären. Größere Chancen hätte das Geschäft wohl, wenn die EU-Kommission es mit Blick auf die Marktmacht in ganz Europa prüfen würde.

In dem hochpolitischen Strommarkt erscheint die Strategie von RWE deutlich wechselhafter. Der Konzern hat im Herbst 2016 sein Geschäft mit erneuerbaren Energien und Netzen als eigenständige Tochter Innogy an die Börse gebracht. Seitdem konzentriert sich RWE auf den Braunkohletagebau, den Energiehandel sowie seine Kraftwerke in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Nun will der Essener Konzern die 76 Prozent der Innogy-Aktien, die er hält, zwar an Eon abgeben.

RWE will sich auf die Erzeugung konzentrieren

Im Gegenzug will RWE aber die Windräder, Solar- und Wasserkraftwerke von Eon und Innogy übernehmen. Auch Beteiligungen an zwei Atomkraftwerken, am österreichischen Versorger Kelag sowie das Gasspeichergeschäft sollen von Eon an den alten Rivalen übergehen. Mithin würde RWE seine Position als Stromerzeuger in Europa ausbauen, nun wieder mit allen möglichen Energieträgern. RWE schaut sich Insidern zufolge zudem Kraftwerke von EnBW und Engie an.

Die Pläne bedeuten jedoch, dass Innogy mit seinen 41 000 Beschäftigten zerschlagen würde. Die Firma musste im Dezember ihre Gewinnprognosen kappen. Daraufhin ist der Börsenwert von Innogy um 15 Prozent eingebrochen. Der Aufsichtsrat um Großaktionär RWE mahnte eine strenge Kostendisziplin an und entließ Vorstandschef Peter Terium. Der langjährige RWE-Chef hatte einst die Zweiteilung des Konzerns vorbereitet. Sie würde nun zum Teil zurückgedreht. Sowohl die Bundesregierung als auch kommunale Aktionäre von RWE reagierten überrascht. Im RWE-Aufsichtsrat halten städtische Aktionäre und Arbeitnehmervertreter die Mehrheit. In der Regierung war zuletzt, als französische und italienische Konzerne ihr Interesse an Innogy äußerten, die Angst vor einem Ausverkauf der deutschen Energiebranche gewachsen.

Die Stromerzeuger und Netzbetreiber gelten - trotz aller Probleme - immer noch als kritisch für die Volkswirtschaft. "Wir bewerten das positiv", verlautete am Sonntag aus Regierungskreisen zu Eons Plänen. Es sei wichtig, dass es einen nationalen Versorger mit Gewicht gäbe. Das Bundeswirtschaftsministerium kommentierte die Pläne der Unternehmen zunächst nicht. Käme der Tausch zustande, müssten die restlichen Innogy-Aktionäre entscheiden, ob sie ihre Anteile für 40 Euro je Aktie an den Eon-Konzern verkaufen. Der wird Investoren in dieser Woche die neue Strategie erklären. Innogy will indes an diesem Montag seine Jahreszahlen vorstellen. Es könnte die letzte Bilanzvorlage in der kurzen Geschichte dieser Firma werden.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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