Süddeutsche Zeitung

RWE-Umbau:Was die Städte zu verlieren haben

  • Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen halten Anteile am Stromversorger RWE. Nun plant der Konzern einen Umbau.
  • Angesichts dessen herrscht vielerorts Besorgnis. Kommunen fürchten um ihre Sperrminorität oder lukrative Posten.
  • Andere Kämmerer sorgen sich um Einnahmen aus Dividenden, die sie dringend für ihre Haushalte brauchen.

Analyse von Jannis Brühl, Köln

In den Kommunen an Rhein und Ruhr erinnern sie sich noch an vergangene Umbauten bei RWE. Weil es schwierig wurde, verlässliche Ansprechpartner zu finden. "Da gab es Mitarbeiter, die hatten alle zwei Wochen eine neue Visitenkarte von einer anderen Tochterfirma", erzählt ein Entscheidungsträger aus einer Stadt in Nordrhein-Westfalen. "Die Kommunen saßen am Katzentisch." Nun ist der Energiekonzern in der Krise und baut wieder um, im ganz großen Stil. Am Montag hat der Aufsichtsrat die Zusammenlegung mehrerer Töchter und Konzernbereiche von 2017 an beschlossen. Das könnte die Kommunen, die gemeinsam 24 Prozent an RWE halten, Einfluss im Unternehmen kosten.

Städte und Landkreise sind Stromkunden von RWE - und zugleich Eigentümer. Über die Aufsichtsräte der Holding und ihrer Töchter üben sie und ihre Stadtwerke Einfluss im Konzern aus. In den vergangenen Jahren mussten sie wegen der Krise des Unternehmens Einbußen in dreistelliger Millionenhöhe hinnehmen. Der Kurs der Aktien, die in den Büchern der Kommunen steht, hat sich in fünf Jahren mehr als halbiert. Die Dividende schrumpfte. Jetzt geht es an die Struktur, in der die Städte bisher ihren Einfluss geltend machen konnten. Grundsätzlich begrüßen die Kommunen den Umbau, sagen aber auch, dass er das Grundproblem nicht löse: Aktienkurs und Dividende sind ihnen zu niedrig.

Schlechte Zahlen

RWE bleibt auch nach dem beschlossenen Konzernumbau in der Krise. Im ersten Halbjahr sackte der um Sondereffekte bereinigte Nettogewinn um 28 Prozent auf 543 Millionen Euro ab. Der Rückgang war noch stärker als von Analysten erwartet. Im zweiten Quartal kam sogar ein Verlust zustande. Dabei spielte neben einer höheren Steuerlast auch der Verfall der Strompreise im Großhandel eine große Rolle. Der Vorstand hält trotzdem an seinen Prognosen für das Gesamtjahr fest. Demnach soll das bereinigte Nettoergebnis weiter bei 1,1 bis 1,3 Milliarden Euro landen, 2014 waren es noch 2,3 Milliarden.

Dabei brauchen insbesondere die Städte im Ruhrgebiet das Geld dringend, um Defizite auszugleichen. Uwe Bonan fehlen zum Beispiel 34 Millionen Euro für den ÖPNV. Als Stadtkämmerer von Mülheim an der Ruhr ist er auf die Dividende der 9,8 Millionen RWE-Aktien angewiesen, die die Stadt hält. Auch ein anderer Kämmerer aus dem Ruhrgebiet, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will, sagt: Überflüssige Bürokratieebenen abzubauen sei ja gut, aber in Sachen Geschäftsmodell sei bisher "wenig Überzeugendes rübergekommen". RWE setze weiter auf Braunkohle-Kraftwerke, die keine Zukunft hätten.

Im wegfallenden Aufsichtsrat sitzen Stadtoberhäupter von Köln, Essen, Hürth, Eschweiler

Der Konzern streicht auch sieben der zehn Aufsichtsräte von Töchtern. Dort reden die Kommunen mit. Der Verlust der Aufsichtsräte dürfte sie mehr schmerzen als den Konzern, dessen Vertreter ja auch ohne die Gremien den Ton in den Töchtern angeben. Neben dem besonders im Ruhrgebiet ohnehin gigantischen Geflecht der Unternehmen mit kommunaler Beteiligung war RWE eine weitere Verschränkung zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht. Für Einzelne bedeutet der Umbau den Verlust eines schönen Postens. Allein im wegfallenden Aufsichtsrat der Tochter RWE Power sitzen Stadtoberhäupter von Köln, Essen, Hürth, Eschweiler und ein Landrat aus Neuss. Insgesamt 25 Mandate verlieren die kommunalen Vertreter RWE zufolge.

Mülheims Kämmerer Bonan sagt, das sei nicht schlimm: "Man kann die Neuorientierung nicht an Aufsichtsräten ausrichten." Er hält den Umbau für nötig, RWE müsse aber sicherstellen, dass die Kommunen weiter gut angedockt bleiben: "Vertrauen und Verlässlichkeit müssen bestehen bleiben", auch wenn der bisherige Ansprechpartner, die RWE Deutschland AG, konzernintern geschluckt wird. Es müsse "weiter nachvollziehbare Entscheidungswege" geben. Wohl als Trost soll ein Teil der kommunalen Vertreter künftig in "International Business Councils" unterkommen, sagt eine RWE-Sprecherin. Das sind aber keine Kontrollorgane wie Aufsichtsräte, sondern nur beratende Gremien.

Gar nicht äußern will sich Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau, der im Aufsichtsrat des Mutterkonzerns sitzt. Dabei hätte er sicher etwas zu sagen. Dortmund ist größter kommunaler Anteilseigner. Die RWE Effizienz sitzt in Dortmund, sie verliert ihren Aufsichtsrat. Und auch die Tochter RWE Vertrieb ist in der Stadt beheimatet. Dort dürften Arbeitsplatzverluste am ehesten drohen. Der Stadt könnten im Falle einer Abwanderung der Töchter Gewerbesteuereinnahmen wegbrechen. Arbeitsplatzabbau stehe "nicht im Fokus", heißt es von RWE. Eine Sprecherin sagt, der könne vorerst höchstens "einen Mitarbeiter treffen, der sich ausschließlich mit der Organisation von Aufsichtsratssitzungen beschäftigt" - denn von denen werden ja künftig deutlich weniger stattfinden. Sie gibt aber zu, dass es am Ende durch den Umbau zu Einsparungen bei Vertrieb und Management kommen dürfte.

Auskunftsfreudiger als sein Dortmunder Kollege ist Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß, der ebenfalls im Aufsichtsrats von RWE sitzt. Er findet die "Straffung" im Konzern gut und wünscht sich vom Management "Standortsicherheit, sichere Arbeitsplätze, gute Steuererträge". Insgesamt sehen die Kommunen ihre Position als regionaler Anker des Konzerns allerdings gefährdet. Aus Angst, ihre Sperrminorität im Konzern zu verlieren, wehren sie sich gegen zusätzliches Geld aus dem Ausland, das RWE helfen könnte. Sie zanken sich mit den anderen Aktionären, die frisches Kapital in den Konzern holen würden. Das würde den Anteil der Kommunen verwässern. Vielleicht klärt sich die Frage nach dem Verhältnis von RWE und den Kommunen auch auf andere, radikale Weise. Die Kommunen könnten sich entschließen, ihre Anteile einfach zu verkaufen.

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SZ vom 13.08.2015/jasch
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