Die Lage war offenbar kritisch: Mitten in der jüngsten Kälteperiode ist es zu gefährlichen Defiziten im Stromnetz gekommen.
Süddeutsche.de liegt ein Schreiben der Bundesnetzagentur vor, das die Aufsichtsbehörde am Montag an die verantwortlichen Händler verschickt hat.
Darin heißt es, das deutsche Stromnetz habe seit dem 6. Februar zu unterschiedlichen Tageszeiten "erhebliche, über mehrere Stunden andauernde Unterdeckungen verzeichnet".
Für die Verbraucher hatte dies allerdings wohl keine Auswirkungen. Dennoch heißt es in dem Schreiben: "Angesichts der aufgrund der aktuellen Wetterlage angespannten Situation in den deutschen Übertragungsnetzen begründet dies auf Seiten der Bundesnetzagentur erhebliche Besorgnis."
Das Problem: Im Störungsfall wäre teilweise keine Regelleistung mehr verfügbar gewesen. Die Regelleistung ist, anders als es der Name suggerieren mag, der letzte Schutzwall des Systems. Sie wird vorgehalten, um binnen weniger Sekunden Ausfälle zu kompensieren, zu "regeln".
Aus Sicht der Bundesnetzagentur sind die obersten Stromhändler für die Erhaltung dieser Regelleistung verantwortlich. Sie sind demnach rechtlich verpflichtet, stets so viel Strom aus Kraftwerken einzukaufen, wie ihre Kunden verbrauchen. In dem Schreiben heißt es entsprechend: "Ich nehme die vorliegende Situation insoweit zum Anlass und weise auf Ihre Verantwortung hin ... für eine ausgeglichene Bewirtschaftung Ihre Bilanzkreises ... Sorge zu tragen."
Gefährliche "Lastprognosefehler"
Doch das taten sie laut Bundesnetzagentur nicht, sondern verursachten mit "Prognosefehlern" den Verbrauch fast der gesamten Regelleistung. Das war offenbar Vorsatz. Mehrere Brancheninsider berichteten der Berliner Zeitung, dass es um Profitmaximierung ging.
Ab dem 6. Februar kam es demnach zu dramatischen Schwankungen des Strompreises. Am 7. Februar mussten laut den Daten der Strombörse EEX zum Beispiel zwischen neun und zehn Uhr 380 Euro pro Megawattstunde bezahlt werden - etwa das Siebenfache der üblichen Großhandelspreise. Die Händler wollten vermeiden, so hohe Preise zu bezahlen. Sie schraubten dem Bericht zufolge systematisch die Prognose über den Stromverbrauch ihrer Kunden nach unten und lieferten entsprechend weniger.
So vermieden sie, den sehr teuren Strom zukaufen zu müssen. Der fehlende Strom musste dann aus der eigentlich für Notfälle gedachten Regelleistung aufgefüllt werden, um einen sofortigen Blackout abzuwenden.
Der Preis der Regelleistung ist weitgehend fix. In normalen Zeiten ist er zwar teurer. Doch angesichts des Ausnahmezustands war er zeitweise viel billiger als Börsenstrom: Etwa 100 Euro pro Megawattstunde werden den Händlern für die Regelleistung im Nachhinein berechnet.
Die gewaltigen, offenbar absichtlichen "Lastprognosefehler" betrugen dem Bericht zufolge zeitweise mehrere tausend Megawatt. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, sagte der Zeitung, der Sachverhalt werde nun mit Hochdruck aufgeklärt. Dass die Händler aus Profitgier so gehandelt hätten, sei derzeit nicht bewiesen. "Wir werden genau untersuchen, wie es zu der außergewöhnlichen Situation im Stromnetz gekommen ist."
Bei den Vertretern von Stromkunden ist dagegen der Ärger schon jetzt groß. Beim Verband VIK, der die industriellen Stromverbraucher vertritt, hieß es: "Es kann nicht sein, dass mit der Regelenergie gespielt wird und dadurch möglicherweise Stromausfälle provoziert werden." Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) ist empört. Energieexperte Holger Krawinkel sagte: "Nicht der Atomausstieg gefährdet die Versorgungssicherheit, sondern die Gier der Marktteilnehmer." Die Bundesnetzagentur droht den Händlern nun mit Konsequenzen. Bei Fehlverhalten sei ein "behördliches Aufsichtsverfahren" möglich.