Zuerst waren es nur Gerüchte, die wie finstere Wolken am Himmel aufzogen, für niemanden greifbar. Jetzt verdichten sie sich zu einem Gewitter, für alle sichtbar, für viele bedrohlich - jedenfalls, wenn man dem Billigstromanbieter Flexstrom Glauben schenkt: "Der Stromdiscounter sieht sich im Vergleichsrechner von Verivox klar benachteiligt", heißt es in der Klageschrift, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt und deren Eingang das Landgericht Heidelberg bestätigt: Flexstrom verlangt von Verivox daher Schadenersatz in Höhe von über 501 775 Euro.
Vergleichsportale wie Verivox locken Millionen Verbraucher mit dem Versprechen auf ihre Seiten, dort das billigste Angebot für Strom oder Versicherungen zu listen; das macht sie für Anbieter wie Flexstrom, die Kunden vor allem mit günstigen Preisen ködern, so wichtig.
Brisant wird der Fall durch den Grund, den Flexstrom für seine Klage anführt: überzogene Provisionsforderungen von Verivox. Sobald man sich geweigert habe, das Geld zu überweisen, sei der Tarif "Classic" von einem der ersten Plätze auf Rang144 abgestürzt. Ein Bonus, den Flexstrom Kunden gutschreibe, sei herausgerechnet worden, sagt ein Sprecher: "Das kann kein Zufall sein." Verivox' Handeln sei "willkürlich", die Listung "fehlerhaft" - das Ganze eine "Irreführung der Verbraucher".
Erwiesen sich die Vorwürfe als wahr, würde das seit Monaten kursierende Gerüchte stützen, nach denen Verivox Tausende Besucher seiner Seite bewusst zu Tarifen jener Anbieter gelotst haben soll, die besonders hohe Provisionen zahlten, zum Billigstromanbieter Teldafax etwa, der laut einem anonymen Insider-Schreiben doppelt so viel Geld an Verivox überwies wie Konkurrenten; das Portal habe dessen Angebote im Gegenzug an die Spitze seiner Bewertungen gerückt - zum Leidwesen der Kunden. Im Juni ging Teldafax pleite, mehr als 700 000 Menschen verloren Geld. Von keiner Insolvenz in Deutschland waren je so viele Kunden betroffen.
Verivox bestreitet die Vorwürfe und stellte Strafanzeige gegen Unbekannt.
Flexstrom soll den Bonus schuldig geblieben sein
Flexstrom entfacht jetzt mit der Klage gegen Verivox die Diskussion neu, die damals aufgekommen war: Wie vertrauenserweckend sind Verbraucherportale im Internet wirklich?
So unabhängig, wie die Vergleichsrechner sich geben, sind sie jedenfalls nicht: Für vermittelte Verträge kassieren sie Provisionen, genau wie Versicherungsvertreter. Aber von wem sie wie viel Geld erhalten - und mit welchen Folgen für dessen Platzierung, das verschleiern sie. "Für den Kunden ist überhaupt nicht ersichtlich, wieso jener Tarif oben steht und nicht ein anderer", sagt Peter Lischke von der Verbraucherzentrale Berlin. Die Online-Rechner seien eine Black Box, die Daten aufnehme - und irgendwelche Tarife ausspucke. Was dazwischen geschehe, wisse keiner so genau, so Lischke.
Das Vertrauen der Verbraucher jedenfalls, so viel steht fest, war erschüttert - auch wenn Beweise für Verivox' angebliche Mauschleien bis heute ausstehen. Ob Flexstrom sie nun liefern wird? Das darf zumindest bezweifelt werden. Das Vertrauen in den Stromdiscounter ist nämlich schon seit Langem erschüttert.
Erst im Oktober verklagte ihn die Verbraucherzentrale Hamburg wegen "untergeschobener Preiserhöhungen", kurz zuvor ermahnte ihn der Bundesverband der Verbraucherzentralen wegen kundenfeindlicher Vertragsklauseln.
Und immer wieder beschweren sich Menschen bei Verbraucherzentralen oder in Internetforen darüber, dass Flexstrom ihnen den bei Vertragsabschluss versprochenen Bonus schuldig geblieben sei.
"Tausende Menschen", ergänzt eine Verivox-Sprecherin. Diese Beschwerden seien Grund dafür gewesen, dass das Vergleichsportal den Bonus des "Classic"-Tarifs bei der Listung auf seiner Seite nicht berücksichtigt habe: "Wir entschieden uns, den von Flexstrom im Oktober neu eingeführten Tarif ohne einen Bonus aufzuführen, weil die Kunden ihn ja offenbar gar nicht erhalten." Mit der Höhe der vereinbarten Provisionen habe das nichts zu tun gehabt; vielmehr wolle man die Besucher der Internetseite schützen.
Am Freitag, den 16. Dezember - also genau einen Tag, nachdem Flexstrom die Klage eingereicht hatte - kündigte Verivox dann den Vertrag mit dem Billiganbieter. Viele überrascht es, dass ausgerechnet zwischen Verivox und Flexstrom ein Streit entbrannt ist, der sich auch darum dreht, wer von beiden der größere Verfechter von Verbraucherrechten ist. Das Landgericht Heidelberg wird frühestens in einem halben Jahr über die Klage entscheiden.
Anmerkung der Redaktion: sueddeutsche.de hat einzelne Informationsdienste von Verivox in sein Angebot eingebunden. Dies beeinflusst nicht die Berichterstattung über die Vorwürfe gegen das Unternehmen.