Süddeutsche Zeitung

Energieversorger:Deutschland ist Spitzenreiter - beim Strompreis

Nirgendwo in Europa ist die Kilowattstunde so teuer wie hierzulande. Die meisten Anbieter halten die Preise 2021 konstant, manche wollen erhöhen. Immer stärker trifft das die Kunden, die wenig verbrauchen.

Von Andreas Jalsovec, München

Die große Teuerungswelle bleibt diesmal aus, eine echte Entlastung für die Verbraucher gibt es aber auch nicht: Die Strompreise in Deutschland bleiben 2021 hoch. Die große Mehrzahl der rund 820 regionalen Stromversorger hält zum Jahreswechsel die Preise konstant. Das zeigt eine Untersuchung des Vergleichsportals Verivox. Demnach kündigten lediglich 45 Grundversorger für das kommende Jahr Preissenkungen an. Sie fallen mit durchschnittlich 1,8 Prozent vergleichsweise gering aus. Ein Musterhaushalt für eine Familie mit einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden (kWh) spart damit 24 Euro im Jahr.

Gleichzeitig wollen 42 Grundversorger die Preise erhöhen. Im Durchschnitt wird Strom dabei um 2,4 Prozent teurer. Das sind Mehrkosten von 31 Euro. Bei gut 730 Stromversorgern bleiben damit nach der Analyse die Preise gleich. Das gilt, obwohl die sogenannte EEG-Umlage für erneuerbare Energien leicht zurückgeht. Die Bundesregierung hat die Umlage für 2021 auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Das macht bei einem Musterhaushalt rund zehn Euro Ersparnis im Jahr aus. "Die Mehrheit der Stromanbieter sieht trotz gedeckelter EEG-Umlage derzeit offenbar keinen Spielraum für günstigere Preise", sagt Thorsten Storck, Energieexperte von Verivox.

Der Beschaffungspreis sinkt, der Stromtarif nicht

Dabei profitieren die Stromfirmen schon länger von sinkenden Kosten beim Stromeinkauf. So sank der Beschaffungspreis an der Leipziger Strombörse seit Januar 2019 um mehr als ein Fünftel, zeigt eine Analyse des sogenannten Tarifaufpassers Switchup. Das Unternehmen organisiert für Stromkunden den Anbieterwechsel. Es sei "überfällig, Verbrauchern die erzielten Kosteneinsparungen zurückzugeben", sagt Switchup-Gründer Arik Meyer.

Stattdessen jedoch hat Deutschland mit mittlerweile mehr als 31 Cent pro Kilowattstunde (kWh) europaweit die höchsten Strompreise. Besonders stark sind dabei in den vergangenen Jahren die sogenannten Grundpreise gestiegen. Das ist jener feste Teil des Strompreises, den die Kunden unabhängig vom Verbrauch zahlen. Diese fixe monatliche Grundgebühr stieg nach einer Analyse von Verivox von 2015 bis 2020 in den Tarifen der Grundversorgung um gut 40 Prozent. Der Arbeitspreis dagegen legte nur um zehn Prozent zu. Das ist der Teil des Strompreises, der sich mit dem Verbrauch ändert.

Die unterschiedliche Entwicklung der beiden Preisbestandteile benachteiligt Geringverbraucher. Bei Kunden, die viel Strom benötigen, fällt der Grundpreis weniger stark ins Gewicht. Kleinverbraucher aber zahlen so mehr für Strom - und sie leiden stärker unter Preiserhöhungen. "Je höher der Stromverbrauch ist, desto niedriger fällt die Strompreissteigerung aus", sagt Verivox-Experte Storck.

Hartz-IV-Empfänger trifft es besonders hart

So sind in den vergangenen fünf Jahren die Stromkosten in der Grundversorgung für einen Mehrpersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 6000 kWh um zwölf Prozent gestiegen. Bei einem Einpersonenhaushalt, der 1500 kWh jährlich verbraucht, sind es dagegen 16 Prozent. Unter die Einpersonenhaushalte fallen dabei häufig Rentner. Auch mehr als die Hälfte aller Hartz-IV-Empfänger lebt in Single-Haushalten. Sie trifft die Entwicklung besonders hart.

Hinzu kommt: Steigende Grundpreise machen Stromsparen wenig attraktiv. Je höher der Grundpreis im Vergleich zum Arbeitspreis ist, "desto weniger muss ich als Kunde auf die verbrauchten Kilowattstunden achten", sagt Andreas Jahn, Energieexperte beim "Regulatory Assistance Project". Die Organisation berät Regierungen beim Umbau ihrer Energieversorgung in Richtung saubere Energieerzeugung. Mit höheren Grundpreisen schaffe man "zunehmend Flatrates beim Strom. Das System wirkt so automatisch in Richtung Mehrverbrauch", sagt Jahn. Stattdessen müssten sich die Preise stärker an der Nutzung orientieren: "Wenn ich Stromverbrauch vermeide, muss sich das auch in den Kosten widerspiegeln."

Der wichtigste Rat: Raus aus der Grundversorgung

In vielen Tarifen außerhalb der Grundversorgung sei das allerdings auch der Fall, sagt Hans Weinreuter, Fachbereichsleiter Energie und Bauen bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. So hätten mittlerweile drei Viertel aller Stromkunden andere Tarife gewählt als die Grundversorgung ihres Anbieters. Dabei gebe es durchaus Modelle mit vergleichsweise geringen Grundpreisen: "Wer wenig verbraucht, sollte einen solchen Tarif mit niedrigem Grundpreis wählen - und umgekehrt", sagt Weinreuter.

Strom zu sparen lohne sich aber auch sonst, meint der Experte. Das gelte vor allem bei Elektro-Großgeräten wie Kühl- und Gefrierschränken, der Waschmaschine oder dem Herd: "Da spielt die Musik beim Stromverbrauch." Wer beim Strom sparen wolle, dem rät Weinreuter daher zu zwei Schritten. Zum einen sollte man in einen passenden und günstigeren Tarif wechseln. "Das heißt vor allem: Raus aus der Grundversorgung. Denn die ist am teuersten", so Weinreuter. Bei Preiserhöhungen haben Kunden ein Sonderkündigungsrecht. Sie können ohne Einhaltung einer Frist wechseln. Die Kündigung muss aber bis zum Tag der angekündigten Preiserhöhung beim Anbieter sein. Das mit dem Wechsel gesparte Geld könne man dann in stromsparende Geräte investieren, sagt der Energiefachmann: "Langfristig spart man so doppelt: beim Tarif und beim Verbrauch."

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