Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht sich dafür aus, mehr Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen als bislang geplant. Andernfalls könne Deutschland seine selbstgesetzten Klimaschutzziele nicht erreichen, heißt es in einer neuen Studie. "Der Kohleausstieg in Deutschland und NRW ist aus Klimaschutzgründen notwendig und energiewirtschaftlich sinnvoll", sagt Autorin Claudia Kemfert.
Die Bundesregierung gibt in ihrem Klimaschutzplan vor, dass der Energiesektor seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 61 Prozent senken soll, im Vergleich zum Jahr 1990. Dieses Ziel drohe Deutschland deutlich zu verfehlen, warnen die Forscher, falls nicht mehr Kohlekraftwerke stillgelegt würden - oder die jährliche Betriebsdauer der Meiler beschränkt würde. Alleine die Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle ist für gut ein Viertel der Emissionen von Treibhausgas in Deutschland verantwortlich.
Die Studie rechnet Szenarien eines schnelleren Ausstiegs durch, wie ihn etwa die Sondierer der Jamaika-Koalition auf Bundesebene im vergangenen Jahr erwogen hatten. Demnach würde - dank des laufenden Ausbaus erneuerbarer Energien - immer noch genug Strom in Deutschland erzeugt, um die Spitzenlast zu decken. Um auch für Wetterextreme gerüstet zu sein, empfehlen die Autoren der Politik beispielsweise, große Batteriespeicher zu fördern oder bestehende Kraftwerke in eine Sicherheitsreserve zu überführen.
Kraftwerkskonzern RWE sieht eher Landwirtschaft und Verkehr in der Pflicht, CO2 einzusparen
Die Bundesregierung diskutiert derzeit über die Zukunft der Kohleverstromung. Eine Kommission soll bis Jahresende Vorschläge erarbeiten, wann und wie Deutschland aus der Kohle aussteigen könnte.
Indes warnt RWE, der größte Betreiber von Braunkohlekraftwerken in Deutschland, vor allzu voreiliger Symbolpolitik. Anders als etwa die Landwirtschaft oder der Verkehrssektor werde die Energiewirtschaft die Klimaschutzziele zumindest für das Jahr 2020 erreichen, sagte Vorstandschef Rolf Martin Schmitz am Dienstag: Alleine im vergangenen Jahr habe der RWE-Konzern seine CO₂-Emissionen um zehn Millionen Tonnen gesenkt. "Wir setzen unseren Reduktionsfahrplan weiter konsequent um", so Schmitz.
Den heißen und trockenen Sommer nennt der RWE-Chef als Indiz, wie wichtig ein breiter Energiemix sei: Wind habe in der langen Hochdruckphase kaum geweht, der Wirkungsgrad von Solaranlagen sei zurückgegangen, Gaskraftwerke mussten ihre Leistung zurückfahren. Die Braunkohlemeiler hätten hingegen zuverlässig ihren Dienst verrichtet, so Schmitz. RWE will im nächsten Jahr die Ökostromkraftwerke seiner Tochterfirma Innogy und des Konkurrenten Eon übernehmen, um zu einem großen Betreiber von Kraftwerken aller Art in Europa aufzusteigen.
Wann Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen könne, hänge einzig und allein davon ab, wie schnell der Ausbau erneuerbarer Energien und der Stromnetze voranschreite: "Desto schneller wird die Kohle über den Markt aus dem System gedrängt", sagte Schmitz. "Die größte Hürde der Energiewende ist der schleppende Netzausbau."