Stripe:Aufstieg eines Symbols

Stripe Inc. Co-Founders John Collison And Patrick Collison Interview

Gegründet haben das Unternehmen die Brüder Patrick und John Collison. Dass die beiden eines Tages Erfolg haben würden, ließ sich schon früh erahnen.

(Foto: David Paul Morris/Bloomberg)

Der Zahlungsdienstleister Stripe ist zwar nicht an der Börse, soll aber fast 100 Milliarden Dollar wert sein. Der Erfolg des Start-ups steht stellvertretend für eine ganze Branche.

Von Nils Wischmeyer

Sieben, elf und 95 sind die Zahlen, die es braucht, um die kurze Version einer Geschichte zu erzählen, die in Irland beginnt und Patrick und John Collison zu Milliardären gemacht hat. Mit gerade einmal sieben Zeilen Code haben sie vor elf Jahren ihr Start-up Stripe gegründet. Heute ist die Firma den Investoren zufolge 95 Milliarden US-Dollar wert. Damit ist das Start-up der Collison-Brüder das am höchsten bewertete, nicht börsennotierte Start-up im Silicon Valley, eines der wertvollsten Fintechs weltweit und sogar höher bewertet als es das soziale Netzwerk Facebook vor seinem Börsengang war. Oder um mit den Vergleichen im Finanzbereich zu bleiben: Die Deutsche Bank ist aktuell 26 Milliarden US-Dollar wert, etwas mehr als ein Viertel von Stripe.

Die Bewertung des Start-ups ist der vorläufige Höhepunkt einer rasanten Erfolgsgeschichte - und an die Fortführung dieser Erfolgsgeschichte glauben die Elite der Investoren und Wagniskapitalgeber: Investor Peter Thiel, Unternehmer Elon Musk, Google-Wagnisfinanzierer Michael Moritz, Allianz und Axa: Sie alle haben investiert und wetten darauf, dass Stripe der Platzhirsch in der globalen Zahlungsabwicklung werden und damit einen milliardenschweren Markt für sich gewinnen kann.

Einfach wird das trotz des Hypes um das 2010 gegründete Start-up nicht. Denn der Aufstieg der Brüder ist in seiner Rasanz womöglich einzigartig, insgesamt aber sinnbildlich für eine ganze Branche und damit durchaus auch für die Konkurrenz. Lange behandelten deutsche Banken die Branche stiefmütterlich und vernachlässigte das Thema sträflich. Das rächt sich heute. Die Deutsche Bank verkaufte früher ihre Tochterfirmen in dem Bereich der Reihe nach. Jetzt versucht sie wieder in den Markt einzusteigen, der auch dank Fintechs wie Stripe als hochattraktiv gilt. Das zeigt: Diese Branche bringt Unternehmen hervor, die viel mehr wert sind als traditionelle Banken.

Maßgeblich sieht man das bei dem niederländischen Start-up Adyen, das heute rund 70 Milliarden US-Dollar wert ist und dessen Aktienkurs seit dem Börsengang 2018 um mehr als 300 Prozent gestiegen ist. Konkurrent Klarna aus Schweden haben die Investoren zuletzt mit mehr als 31 Milliarden US-Dollar bewertet. Dazu kommen etablierte Spieler wie Worldpay, das zuletzt für 46 Milliarden US-Dollar gekauft wurde. Oder Payone, das aus einer Fusion von Ingenico und Wordline entstand, zweier Firmen, die teils schon seit Jahrzehnten auf dem Markt sind.

Ihr erstes Start-up verkauften die beiden Gründer für mehr als drei Millionen Dollar

Mit seiner Bewertung von fast 100 Milliarden US-Dollar ist Stripe trotzdem eine Ausnahmeerscheinung in dieser boomenden Branche, auch und gerade weil die Investoren an die technische Überlegenheit gegenüber alten Infrastrukturen glauben. Gegründet haben das Unternehmen die Brüder Patrick und John Collison. Dass die beiden eines Tages Erfolg haben würden, ließ sich schon früh erahnen: Der heute 32-jährige Patrick Collison war "Young Scientiest of the Year" in Irland, schloss die Schule mit 16 Jahren ab und ging später in die USA, wohin ihm sein sein damals 15-Jähriger Bruder John folgte. Ihr erstes Start-up verkauften die beiden 2008 für mehr als drei Millionen Dollar. 2010 stellten sie sich dann eine Frage, die ihr Leben verändern sollte: Wie könnte man Zahlungen im Internet leichter abwickeln?

Einige Monate und viel Tüftelei später standen sieben Zeilen Code, die die Basis für alles weitere sein sollten. Statt monatelanger Integrationsarbeit sollten selbst kleine Geschäfte Online-Bezahlungen anbieten können. Sie mussten nur den kurzen Code auf ihrer Webseite integrieren. Schnell wurden Start-ups wie der Fahrdienstvermittler Lyft auf diese einfache Lösung aufmerksam, heute zählen unter anderem Slack, Amazon oder Shopify zu den Kunden. Mit mehr Transaktionsvolumen schoss auch die Bewertung nach oben und machte die Brüder zu zwei der jüngsten Selfmade-Milliardäre aller Zeiten.

Die neue Bewertung ist sehr hoch. Das wirft die Frage nach dem Geschäftsmodell auf. Geld verdient Stripe mit der Abwicklung von Zahlungen. Kauft ein Verbraucher beispielsweise eine Hose im Internet, wählt er eine Zahlungsmethode aus und das Geld fließt von seinem Konto zunächst zum Zahlungsdienstleister und dann von dort aus weiter zum Verkäufer der Hose. Für diese Infrastruktur, Betrugsprävention und tatsächliche Abwicklung der Zahlungen, kassieren Anbieter wie Stripe einen anteiligen Betrag vom Umsatz, der bei den meisten Einkäufen wenige Cent beträgt.

Um Geld zu verdienen, muss ein Zahlungsdienstleister also in der Regel ein großes Volumen an Transaktionen über seine Plattform abwickeln, weshalb viele Payment-Unternehmen aufgekauft wurden, zugekauft haben, oder aber sich mit der Konkurrenz zusammengetan haben. Mehr als 600 solcher Deals zählt die Unternehmensberatung Zeb allein für die Jahre 2018 und 2019.

Profitiert haben die Zahlungsdienstleister vom Megatrend des bargeldlosen Bezahlens

Stripe und andere Zahlungsdienstleister wie Adyen aus den Niederlanden, Klarna aus Schweden oder auch Paypal aus den USA haben es offenbar geschafft, sich in diesem umkämpften Markt durchzusetzen und immer höhere Volumen abzuwickeln. Teils gelang ihnen das über Zukäufe, teils wuchsen sie organisch, etwa weil sie günstiger waren als die Konkurrenz oder die bessere technische Lösung anbieten konnten.

Profitiert haben sie zudem vom Megatrend des bargeldlosen Bezahlens. Sowohl in Geschäften als auch im Internet zücken Menschen immer häufiger ihre Kreditkarte oder zahlen per Lastschrift und immer seltener mit Bargeld. Das führt dazu, dass die Zahlungsanbieter mehr Volumen über ihre Plattformen abwickeln, mehr verdienen und in der Folge ihre Aktienkurse oder Bewertungen steigen.

Die Corona-Pandemie hat den Firmen zusätzlichen Auftrieb gegeben. Durch den zeitweisen Lockdown in vielen Ländern bestellten die Kunden viel über das Internet. In den Geschäften trieb die Angst um den Virus die Menschen dazu, kontaktlos zu bezahlen. Langfristig könnte Stripe an die Börse streben, auch wenn die Firma das dementierte. Dann braucht es eine vierte Zahl, um die Geschichte zu beschreiben: den Ausgabepreis der Aktie.

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