Süddeutsche Zeitung

Stresstest:Wenn alles schiefläuft

Wie würden Europas Banken eine plötzliche und schwere Rezession verkraften? Das hat die EZB monatelang durchrechnen lassen, kommende Woche sollen die Ergebnisse vorliegen. Doch schon jetzt gibt es Kritik.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Es laufen die letzten Vorbereitungen für die Veröffentlichung des europäischen Bankenstresstests am 2. November. Monatelang mussten die Kreditinstitute durchrechnen, wie sie einen plötzlichen und starken Wirtschaftsabschwung verkraften würden. Im Kern geht es um die Frage, ob die Verlustpuffer - also das Eigenkapital - reichen, einen solchen Schock aufzufangen. Denn ein Konjunktureinbruch führt unweigerlich zu Kreditausfällen, was die Bankbilanzen belastet. Durchfallen können die Banken bei diesem Test zwar nicht; die Bankenaufsicht wird von den schwachen Instituten aber verlangen, sich für den Ernstfall mehr Eigenkapital zu beschaffen. Die Resultate werden dann in der kommenden Woche für jede einzelne Bank veröffentlicht.

Die Ergebnisse kommen in turbulenten Zeiten. Der Streit um Italiens Staatshaushalt belastet die Finanzmärkte. Und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnte erst jüngst, dass es weltweit zu hohe Schulden gebe, Politiker und Märkte sollten sich auf Turbulenzen einstellen.

Die europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben insgesamt 48 Banken überprüft. Das ist nur eine Stichprobe, denn allein die EZB überwacht für den Euroraum 105 Großinstitute. Dazu kommen noch Banken aus EU-Staaten, die nicht Mitglied der Währungsunion sind. Die richtige Auswahl ist also wichtig, um die Gesamtstabilität des europäischen Finanzsektors bewerten zu können. Und an diesem Auswahlprozess gibt es Kritik: "Es sind insbesondere zwei Banken weggelassen worden, die 2016 noch dabei waren, nämlich die National Bank of Greece und die italienische Monte Dei Paschi - beides angeschlagene Banken, die man durchaus einem Stresstest unterziehen sollte", sagt Sven Giegold, EU-Parlamentarier der Grünen. In der Stichprobe gebe es aber keine einzige griechische oder portugiesische Bank. "Dafür sind mit der NRW Bank und vor allem der niederländischen Bank Nederlandse Gemeenten Banken dabeigeblieben, die über sehr viel Eigenkapital verfügen und damit das Gesamtergebnis für Europas Bankensektor verbessern", sagt Giegold.

Von den acht getesteten deutschen Großbanken dürfte die Nord LB wohl am schlechtesten abschneiden. Der Grund ist das schlechte Kreditportfolio im Schiffsbereich. Die Commerzbank hat ihre Schiffskreditrisiken hingegen abgebaut, was zu einem besseren Ergebnis als beim letzten europäischen Stresstest 2016 führen könnte. Für die Deutsche Bank erwarten die Märkte ein durchschnittliches Ergebnis, das Institut hat nach der letzten Überprüfung sein Kapital erhöht.

"Stresstests sind keine Wunderwaffe", erklärte der Bundesverband deutscher Banken (BdB) am Montag in Frankfurt. Die Übungen würden aber trotz ihrer Limitierung dazu beitragen, einzelne Banken wie auch das Bankensystem insgesamt funktionsfähig zu halten. Die Leistungsfähigkeit solcher Tests auf Grundlage hypothetischer Szenarien dürfe weder überschätzt noch unterschätzt werden. Aus Deutschland sind im Test noch die DZ Bank sowie die Landesbanken LBBW, Bayern LB und Helaba vertreten.

Der Stresstest unterstellt, dass Europas Wirtschaft 2018 um 1,2 Prozent und 2019 um 2,2 Prozent schrumpft, um dann 2020 wieder um 0,7 Prozent zu wachsen. Dies sei das härteste Szenario aller bisher durchgerechneten Stresstests, teilte der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) mit, der die Simulation ausgearbeitet hat. "Der ESRB müsste in seinen Stressszenarien auch die Konsequenzen der EZB-Geldpolitik in Europa berücksichtigen", forderte EU-Parlamentarier Giegold. Doch das geschehe nicht ausreichend. "Denn der ESRB gehört zur EZB, daher steckt die Institution hier in einem Interessenkonflikt." Er schlägt daher vor, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken aus der EZB herauszulösen, um dessen Unabhängigkeit zu stärken.

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SZ vom 23.10.2018
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