Stellenstreichungen bei Microsoft:Angriff auf das Bürokratiemonster

Stellenstreichungen bei Microsoft: Microsoft-Chef Satya Nadella will bis zu 18 000 Stellen streichen (im Bild ein Mitarbeiter vor einem Microsoft-Firmengebäude am Hauptsitz in Redmond)

Microsoft-Chef Satya Nadella will bis zu 18 000 Stellen streichen (im Bild ein Mitarbeiter vor einem Microsoft-Firmengebäude am Hauptsitz in Redmond)

(Foto: AP)

Satya Nadella will seinen Konzern radikal umbauen. Nicht nur streicht er bis zu 18 000 Jobs. Auch die verbleibenden Microsoft-Mitarbeiter müssen sich auf spürbare Veränderungen einstellen.

Von Helmut Martin-Jung

Als der schlaksige und eher leise Satya Nadella Anfang Februar den Chefposten bei Microsoft von dem lauten und bulligen Steve Ballmer übernahm, da wurde das vor allem als Kulturwandel wahrgenommen. Wer den neuen Chef, den in Indien geborenen Informatiker, etwas näher kannte, wusste aber auch: Hinter der stets freundlichen Art stecken sowohl eine klare Sicht auf Dinge, als auch ein unbeugsamer Wille, die nötigen Schlüsse daraus zu ziehen und umzusetzen.

Welche das sind, erfahren nun nicht bloß die bis zu 18 000 Mitarbeiter, die demnächst ihre Kündigung erhalten werden. Nadella selbst hat die größte Entlassungswelle in der 39-jährigen Geschichte von Microsoft in einer E-Mail an alle Mitarbeiter angekündigt.

Aber auch der Rest der dann immer noch gut 100 000 Mitarbeiter wird sich auf eher unruhige Zeiten einstellen müssen. Die Unternehmenskultur müsse sich fundamental ändern, schrieb Nadella bereits vor einigen Tagen an sie alle in einer langen E-Mail. Jedes Team müsse Prozesse vereinfachen und sich - ein wichtiges Stichwort - schneller bewegen. Dahinter verbirgt sich ein kaum verschleierter Angriff auf das Bürokratiemonster Microsoft.

Hohe Zahl der Entlassungen überrascht

Die Entlassungen und die Reorganisation des Konzerns werden sich auf zwei Bereiche konzentrieren: Zum einen werden etwa 12 500 Mitarbeiter der ehemaligen Handysparte von Nokia gehen müssen. Die Übernahme, lange angekündigt, war im Frühjahr vollzogen worden. Schon damals war von Synergieeffekten die Rede. Allerdings überrascht die hohe Zahl der geplanten Entlassungen in der Sparte.

Prägender aber wird sein, wie Nadella versucht, das Dickicht der vielen Management-Ebenen des IT-Konzerns auszulichten. Dass er das tun muss, steht außer Frage. Die internen Reibungsverluste erschweren es seiner Firma schon länger, so zügig und schlagkräftig zu agieren, wie es das schnelllebige Geschäft erfordert. Bestes Beispiel dafür ist die Welt der Smartphones und Tablets. Während es eine Firma wie Samsung schaffte, auf Apples iPhone mit unglaublicher Geschwindigkeit und Innovationskraft zu reagieren, hinkt Microsoft noch heute hinterher - sieben Jahre nach der Vorstellung des ersten iPhones. Weder mit seinem mobilen Betriebssystem noch mit seiner Hardware - den Lumia-Smartphones und den teuren Surface-Tablets - kommt der Konzern entscheidend voran.

Billig-Handys und sündteure Tablets - wie soll das zusammen funktionieren?

Lediglich mit dem Low-Cost-Smartphone der Lumia-Reihe erreichte Microsoft in jüngerer Zeit substanzielle Marktanteile, bei allerdings geringen Margen. Dazu kommt die Gefahr eines Imageproblems. Billige Lumias als Einsteigergeräte für die Dritte Welt, sündteure Surface-Tablets und hochpreisige Smartphones für die mobilen Mitarbeiter in den Industrieländern - das passt für viele nicht so recht zusammen. Apple hat es aus diesem Grund immer vermieden, Billigversionen ins Sortiment aufzunehmen.

Es könnte also gut sein, dass Nadella den bisher sehr verlustreichen Versuchen, eine eigene Reihe von Tablets zu entwickeln, nicht mehr allzu lange zusieht. Stattdessen könnte er den Fokus wieder auf die Kernkompetenz des Konzerns richten: auf Software und Dienste. Vom "Core", dem Kern des Unternehmens, ist überhaupt auffallend oft die Rede in Nadellas Ruck-E-Mail an die Belegschaft.

Was aber ist dieser Kern genau? "Wir müssen uns von dem Gedanken lösen, Schachteln mit Software zu verkaufen", drückt es ein deutscher Insider drastisch aus. Die Nutzer von heute wollten vielmehr von einer Vielzahl von Geräten aus auf Dienste zugreifen, sowohl im Job als auch im Privatleben. Sie alle will Nadella bedienen, will sie auf die eine oder andere Weise in die Arme der Firma treiben. Dafür werden auch heilige Kühe geschlachtet. So gibt es die Office-Programme wie Word oder Excel jetzt auch für das iPad. Auch bei der businessorientierten Serversoftware öffnete sich der Konzern und versucht nicht mehr wie früher, alle Kunden mit Gewalt bei eigenen Produkten zu halten.

Dazu fehlt Microsoft mittlerweile die Macht. Der Konzern konkurriert mit Amazon bei Internetdienstleistungen, bei der Kundenverwaltung mit Salesforce, mit Google, mit Apple - kurz: Die Nutzer haben die Wahl und sie machen davon Gebrauch. Microsofts alte Strategie der Dominanz, des Quasi-Monopols, funktioniert nicht mehr in einer Welt, die sich viel schneller verändert als früher. Die entscheidenden Schlachten, das ist Nadella klar, werden woanders geschlagen und auf andere Weise.

Die IT-Branche und mit ihr große Teile der Wirtschaft, befinden sich mitten in einem gewaltigen Wandlungsprozess. Mehr und mehr Geräte produzieren Daten, gleichzeitig werden die Möglichkeiten größer, diese Daten auch nutzbar zu machen. Hier vor allem will Nadella noch stärker werden, will einfache Lösungen anbieten. Aus einer Hand, wenn der Kunde das will. Dazu bringen aber, das ist ihm klar, muss man ihn mit Leistung, nicht mit Zwang.

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