Streit um Staatshilfen:Die Kehrtwende der Politik

Kein zweiter Fall Opel: Die Bundesregierung rettet den Autohersteller, aber nicht Arcandor - dafür gibt es viele Gründe.

Claus Hulverscheidt

Wer genau hingehört hatte, der konnte schon vor zwei Wochen ahnen, dass es einen zweiten Fall Opel so schnell nicht geben würde. Es war am letzten Dienstag im Mai, als sich die Kanzlerin höchstpersönlich in den Sitzungssaal 3N001 des Reichstags begab, um den Abgeordneten der Union zu erläutern, was den Rüsselsheimer Autobauer so einzigartig mache: kein Eigentümer - mit Ausnahme des Pleitekandidaten General Motors (GM) -, kein Konto, keine Gläubigerbank.

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Einen zweiten Fall Opel soll es nicht geben: Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück werden Arcandor nicht stützen.

(Foto: Foto: dpa)

Zudem die Verquickung von GM und US-Finanzministerium, die aus Opel einen Spielball amerikanischer Interessen zu machen drohe. Die einzige Instanz, so Angela Merkel, die dem Traditionsunternehmen in einer solch schwierigen Gemengelage noch zur Seite springen könne, sei die Bundesregierung.

Auch wenn der Name Arcandor zunächst nicht fiel, die Botschaft war klar. Keines der Merkmale, die Opel kennzeichnen, trifft auf die Karstadt-Mutter zu: Nicht nur, dass es dort Großaktionäre, Konten und Gläubigerbanken gibt, mit dem Rivalen Metro steht zudem ein Kaufinteressent für Karstadt bereit. Die Tür für Arcandor fiel mit dem Auftritt der Kanzlerin praktisch ins Schloss.

Arcandor ist kein Opfer der Finanzkrise

Auch die Bundesminister der SPD ahnten bereits früh, dass es schwierig werden würde, das Rettungsversprechen von Parteichef Franz Müntefering für Arcandor in die Tat umzusetzen. Ein Opfer der Finanzkrise, das wussten Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück, war Arcandor nicht, dafür kämpfte der Konzern schon viel zu lange mit Problemen.

Blieben also nur sogenannte Rettungsbeihilfen. Auch die aber können nach allgemeinem Verständnis nur gewährt werden, wenn die übrigen Beteiligten ebenfalls ihren Beitrag leisten. Dazu sahen sich aber weder die Großaktionäre - die Privatbank Sal. Oppenheim und die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz - und die Gläubiger, noch die Warenhaus-Vermieter in der Lage. Am Ende hätte die Regierung mehr oder weniger als einziger Geldgeber dagestanden. "Damit war eine Insolvenz nicht mehr zu verhindern", sagt ein Regierungsbeamter mit SPD-Parteibuch.

Durchgehend einig sind sich die Sozialdemokraten in der Analyse des Falls allerdings nicht. So heißt es in SPD-nahen Regierungskreisen, die Strategie der Parteiführung, in der Öffentlichkeit ohne jede Einschränkung für den Erhalt des Konzerns und die Rettung möglichst aller Arbeitsplätze einzutreten, sei für viele Bürger wenig glaubhaft gewesen.

Die Dame im Pelz profitiert

Ganz anders sieht man das in der SPD-Führung, wo die Insolvenz der Karstadt-Mutter als "großes Ärgernis" bewertet wird. "Es muss immer das Ziel der SPD sein, so viele Stellen wie möglich zu erhalten - auch um den Preis, dass eine Dame im Pelzmantel zu den Profiteuren zählt", heißt es mit Blick auf Frau Schickedanz.

Offen streiten mag sich die SPD allerdings nicht, vielmehr wird der Schwarze Peter CDU und CSU zugeschoben. So sei etwa Merkels Druck auf die Aktionäre viel zu lasch gewesen. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) habe gar die Chefs von Metro und Arcandor eingeladen, um dann dem Treffen fernzubleiben. Auch habe sein Ministerium entgegen aller Absprachen die möglichen Rettungsbeihilfen nicht vorsorglich bei der EU-Kommission angemeldet.

Das Fazit der Sozialdemokraten ist entsprechend eindeutig: Merkel und Guttenberg hätten von Beginn an auf eine Insolvenz gesetzt, um den murrenden Wirtschaftsflügel der Union einzubinden - ein Vorwurf, der an der Union naturgemäß abprallt: Die SPD, so heißt es dort, leide wohl noch unter ihrem miserablen Europawahlergebnis. Das wiederum weisen die Sozialdemokraten empört zurück. "Niemand von uns", so heißt es in der Partei, "ist so naiv zu glauben, dass sich gerettete Arbeitsplätze eins zu eins in Wählerstimmen ummünzen ließen."

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