Streit um Ölpreis:Attacke auf den Freund

Streit um Ölpreis: Saudi-Arabiens Ölminister Ali al-Naimi (Mitte) hat verkündet, sein Land werde auf keinen Fall die Ölförderung drosseln.

Saudi-Arabiens Ölminister Ali al-Naimi (Mitte) hat verkündet, sein Land werde auf keinen Fall die Ölförderung drosseln.

(Foto: AFP)
  • Saudi-Arabien kündigt einen harten Preiskampf auf dem Ölmarkt an. Riad will die Förderung trotz sinkender Preise nicht drosseln.
  • Damit treffen die Saudis vor allem ihren Verbündeten, die USA. Die Amerikaner sind dank Fracking zum größten Erdöl-Lieferanten der Welt aufgestiegen.

Von Karl-Heinz Büschemann und Rudolph Chimelli, München/Paris

Was ein Ölminister Saudi-Arabiens zu sagen hat, wird in der ganzen Welt aufmerksam verfolgt. Der berühmte Ahmed Yamani, der das Schlüsselamt in der Saudi-Regierung von 1962 bis 1986 innehatte, war gefürchtet, weil er in den Siebzigerjahren die westliche Welt mit drastischen Ölpreissteigerungen in zwei massive Krisen stürzte. Jetzt sorgt wieder ein Ölminister aus Riad für globale Aufmerksamkeit, diesmal mit der Ankündigung sinkender Ölpreise.

Ali Al-Naimi hatte am Montag verkündet, sein Land werde auf keinen Fall die Ölförderung drosseln, um den fallenden Preis für den Schmierstoff der Weltwirtschaft zu stabilisieren. "Es ist nicht im Interesse der Opec-Produzenten, ihren Ausstoß zurückzufahren, egal wo der Preis steht", erklärte er gegenüber dem Middle East Economic Survey. Drohend fügte er hinzu: "Es spielt keine Rolle, ob der Preis auf 20, 40, 50 oder 60 Dollar sinkt."

Öl-Scheichs gegen Schiefer-Öl

Ein Satz wie dieser ist eine Art Kriegserklärung. Er besagt, dass die Araber den Konflikt suchen mit ihrem alten Verbündeten, den Vereinigten Staaten. Offenbar sehen die Saudis jetzt eine Chance, den Amerikanern eine Quittung dafür zu geben, dass die in jüngerer Zeit mit der Fracking- Methode selbst große Mengen an Erdöl und -Gas aus dem eigenen Boden gepresst und das Ölangebot auf dem Weltmarkt gesteigert haben. Anstatt einst 60 Prozent, importieren die Amerikaner nur noch 30 Prozent ihres Erdölbedarfs, und dies nicht mehr primär aus Saudi-Arabien. Riad möchte diese Entwicklung umkehren. Öl-Scheichs gegen Schiefer-Öl, das ist die einfache Formel, auf die sich dieser Machtkampf bringen lässt.

Der Ölpreis ist seit Juni um etwa die Hälfte gefallen und es gibt Turbulenzen an den globalen Rohstoff- und Finanzmärkten. Länder wie Russland, die stark vom Ölexport leben, geraten in Schwierigkeiten. Die Aktien von Ölkonzernen kommen ins Trudeln, viele Ölmultis stoppen Investitionen und kündigen Entlassungen an. Saudi-Arabiens Erdöl-Minister Ali al-Naimi versteht es jedoch, die Verantwortung für das Öl-Überangebot bei anderen abzuladen. Schuld seien Länder wie Russland und Mexiko, die nicht der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) angehörten.

Nicht einmal der 11. September trübte das Verhältnis

Die Saudi-Attacke auf die US-Ölwirtschaft setzt neue Akzente in der Weltpolitik. Seit dem Zweiten Weltkrieg lebten das Königreich und die USA in enger Symbiose. Die Saudis lieferten erschwingliches Erdöl und verhinderten gefährliche Preissprünge auf den Weltmärkten durch ihre flexiblen Fördermöglichkeiten. Im Gegenzug gab Amerika den Saudis militärischen und politischen Schutz. Kritik von Menschenrechtlern und Feministinnen in den USA an den autoritären Verhältnissen im Königreich ignorierte Washington. Selbst dass 16 von den 21 Attentätern der Anschläge auf das World Trade Center vom 11. September 2001 aus Saudi Arabien stammten, trübte das Verhältnis nicht.

Dagegen nahm speziell König Abdallah den Amerikanern übel, dass sie sich in ihrer Nahostpolitik über wesentliche Wünsche Riads hinwegsetzten. Die USA ließen den ägyptischen Präsidenten Mubarak und dessen tunesischen Kollegen Ben Ali fallen, beide waren politische Vertraute der Saudis. Sie überzogen Syrien nicht mit Krieg, wie Riad das gehofft hatte, und sie arbeiten daran, den Atomstreit mit Iran zu begraben. Alles gute Gründe für die Saudis, den Ölpreis rutschen zu lassen und die Amerikaner damit in Schwierigkeiten zu bringen.

Denn für die steht das neue Modell der teuren Fracking-Ölexploration im eigenen Land auf dem Spiel. Das Wall Street Journal glaubt zwar, dass sich das Schiefer-Erdöl der Amerikaner noch bei einem Preis von 40 Dollar pro Barrel rentabel fördern lässt. Doch andere Fachleute sehen die Schwelle eher bei 65 bis 70 Dollar. Danach würden zumindest Investitionen in neue Anlagen fragwürdig. Der Preis für die Sorte Brent liegt inzwischen bei knapp über 60 Dollar.

Saudis gehen Risiken ein

Die Saudis dagegen können die Ausfälle bei den Öleinnahmen verkraften. Sie versprechen sich zudem entscheidende geostrategische Vorteile von ihrer Politik des Öl-Überflusses, mit der sie auch den Iran treffen. Der große Rivale der Saudis auf der anderen Seite des Golfs wird vom drastischen Preisverfall viel härter getroffen als die eigene Wirtschaft. Zwar behauptet der zuständige Minister in Teheran, auch sein Land käme mit einem Preis von 40 Dollar pro Barrel noch zurecht, doch das dürfte Gesundbeterei sein.

Erdöl speist nicht nur das Staatsbudget der Islamischen Republik, die schon unter den Sanktionen leidet, die dem Land wegen seiner Atompolitik auferlegt wurden. Auch die für politische Stabilität lebenswichtigen Subventionen von Konsumgütern, die Landesentwicklung, der Ausbau der Atomindustrie, die Rüstung und die Außenpolitik kosten viel Geld. Im Irak, in Syrien, im Libanon und in Gaza unterstützt Teheran die Gegner der Saudis. Geht den Iranern finanziell der Atem aus, erhalten die Saudis automatisch Oberwasser im Nahen Osten, so das Kalkül in Riad.

Die Saudis gehen mit ihrer neuen Ölpolitik auch Risiken ein. Sie behaupten zwar, ihre Niedrigpreisstrategie etwa zwei Jahre durchhalten zu können, auch weil das Land auf Devisenreserven in Höhe von 750 Milliarden Dollar sitzt. Ölmarktexperten weisen aber darauf hin, dass bei den Fördermethoden der Amerikaner die Technologie voranschreitet und schon bald bei einem Ölpreis von weniger als 40 Dollar pro Barrel die Gewinnschwelle erreicht werden könnte.

Inzwischen gehen die Spekulationen über den Ölpreis weiter. Der könnte "einige Monate" in der Nähe von 60 Dollar liegen und sich dann erholen, sagt ein Vertreter der Opec. Ein weiterer Opec-Mann erklärte, im Durchschnitt dürfte der Preis 2015 zwischen 70 und 80 Dollar liegen.

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