Als Alexis Tsipras im Februar, kurz nach seiner Wahl, nach Rom reiste, rechnete er sich viel Goodwill aus von seinem linken italienischen Amtskollegen Matteo Renzi, vielleicht sogar Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin. Der Grieche wähnte sich in einer Zweckgemeinschaft mit dem Italiener, da der ebenfalls einem hoch verschuldeten Land vorsteht; nach Griechenland hat Italien die zweithöchste Schuldenquote in der Euro-Zone. Doch der Wind hatte gedreht, das Wachstum ein bisschen angezogen, Italien zählte sich schon nicht mehr zu Europas Patienten. Und Renzi entließ Tsipras mit der Aufforderung, Reformen zu realisieren, daran führe kein Weg vorbei. Im Appell schwang mit: Schau mich an, ich reformiere auch. Das viel gescholtene, traditionell reformrenitente Italien gab sich plötzlich schulmeisterlich. Solidarisch zwar, aber mit klaren Auflagen.
Die Haltung Roms erklärt sich auch damit, dass die italienische Bevölkerung nur leidlich versteht, warum sie selber Opfer bringen muss, während sich die Griechen, die von Italien mit Krediten über 40 Milliarden Euro gestützt werden, ihre angeblichen Extravaganzen weiter leisten. Der Corriere della Sera rechnete vor, dass die Italiener mittlerweile mit 66 Jahren in Rente gingen, während die Griechen sich im Durchschnitt noch immer im Durchschnitt mit 60,6 Jahren zur Ruhe setzten. Am Sonntagabend zeigte sich Renzi dennoch optimistisch. Es gebe "alle Voraussetzungen" für eine Einigung mit Athen.
Oliver Meiler