Streit um Nahverkehr:"Wir werden die Studie intensiv prüfen"

Werden die Förder-Milliarden für den Nahverkehr ineffizient eingesetzt? Unsinn, kontern einige Länder. Doch Verkehrsminister Ramsauer geht den Vorwürfen nach.

D. Kuhr

Nach Vorwürfen über eine Verschwendung von staatlichen Geldern im Nahverkehr will Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die Verteilung der Fördermittel zwischen den Bundesländern überprüfen. "Es passt nicht in die finanzpolitische Landschaft, wenn in einigen Gegenden leere Züge fahren und auf der anderen Seite wiederum das Geld für wichtige Verkehrsinvestitionen fehlt", sagte Ramsauer am Donnerstag zur Süddeutschen Zeitung.

Bahn, Nahverkehr, Foto: dpa

Mit sieben Milliarden Euro fördert der Bund jedes Jahr den Regionalverkehr. Eine Studie hat nun enthüllt, dass dieses Geld teilweise ineffizient eingesetzt wird.

(Foto: Foto: dpa)

Jährlich erhalten die Länder etwa sieben Milliarden Euro vom Bund, um den Regionalverkehr bestellen zu können. Eine Studie des Bundesverbands der Verbraucherzentralen hatte gezeigt, dass die Mittel in einigen Bundesländern deutlich ineffizienter eingesetzt werden als in anderen. "Ich bin für solche Denkanstöße dankbar", sagte Ramsauer. "Wir werden die Studie intensiv prüfen und auch mit den Ländern darüber sprechen."

Schlecht abgeschnitten hatten bei der Analyse unter anderem das Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Der Verfasser der Studie, Holger Krawinkel, betonte, dass das vorhandene Zahlenmaterial nicht genüge, um die Gründe genau zu analysieren, er hielt aber vor allem zwei Erklärungen für wahrscheinlich. Zum einen würden einige Länder ihre Verkehrsaufträge häufig direkt vergeben, statt sie auszuschreiben - was die Verträge in der Regel unnötig verteuere. Zum anderen vermutete er, dass die Deutsche Bahn als Betreiberin des Schienennetzes in bestimmten Regionen überhöhte Preise für die Nutzung der Trassen verlange.

Empörte Länder-Minister

Die betroffenen Ländern reagierten empört auf die Studie. Thüringens Verkehrsminister Christian Carius (CDU), bezeichnete sie als unseriös. Ähnlich äußerte sich Karl-Heinz Daehre (CDU), Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt. Man könne Sachsen-Anhalt schon allein wegen der "sehr viel höheren Arbeitslosigkeit und der geringeren Bevölkerungsdichte" nicht mit Bayern vergleichen, sagte er. Bayern hatte bei den Verbraucherschützern relativ gut abgeschnitten.

Der sächsische Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) wies darauf hin, dass Sachsen "deutschlandweit die höchsten Trassen- und Stationsnutzungsentgelte zu zahlen" habe. Dadurch müssten "rund 200 Millionen Euro jährlich für die Nutzung der Infrastruktur an die DB AG weitergereicht werden", sagte Morlok.

Als Konsequenz aus ihrer Analyse plädieren die Verbraucherschützer für eine Umverteilung der Mittel zwischen den Ländern. Der Bund solle ihnen künftig nur noch ein Grundangebot im Nahverkehr pauschal finanzieren und alle zusätzlichen Mittel gezielt dahin leiten, wo die Verkehrsnachfrage am größten und die Mittelverwendung am effizientesten sei. Die Gesamtfördersumme solle aber unverändert bleiben, stellte Krawinkel am Donnerstag klar. Denn insgesamt sei die Finanzierung des Nahverkehrs ein Erfolg. Das Angebot sei bundesweit seit 1994 um 50 Prozent gestiegen. Allerdings hätten sich die Verkehrsleistungen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich entwickelt.

Grüne: Dringender Handlungsbedarf

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr, die öffentliche Auftraggeber vertritt, kritisierte einige Aussagen der Studie als "pauschal und wenig fundiert". Man nehme die Ergebnisse dennoch "sehr ernst". Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) warnte: Wenn man den Empfehlungen der Studie folge, bedeute das, "weite Landstriche in Deutschland vom Schienenverkehr abzuhängen". Bundesmittel würden dann nur noch in Ballungsgebiete fließen. Als "richtig" bezeichnete VCD-Chef Michael Gehrmann aber die Forderung, "staatliche Gelder stärker nach dem Erfolg am Fahrgastmarkt und der Angebotsqualität zu verteilen".

Unterstützung bekamen die Verbraucherschützer von den Grünen. Die Studie zeige dringenden Handlungsbedarf auf, sagte der Grünen-Verkehrsexperte Anton Hofreiter. Seine Partei hatte bereits 2006 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Verteilung der Fördermittel an Effizienzkriterien binden sollte. Der FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring sagte, bei der in zwei Jahren anstehenden Neuverteilung der Mittel müssten die Länder verpflichtet werden, künftig alle Verkehrsverträge auszuschreiben.

Eine Umverteilung zwischen den Ländern hält auch Mofair, der Interessenverband der Privatbahnen, für unausweichlich. "Die Verteilung muss den derzeitigen ökonomischen, bevölkerungs- und eisenbahnpolitischen Bedingungen angepasst werden", sagte Mofair-Hauptgeschäftsführer Engelbert Recker. Vor allem müsse zwischen ländlichen und verdichteten Gebieten umverteilt werden.

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