Süddeutsche Zeitung

Streit um Markenrechte:Bizarrer Zwist zwischen dm und Alnatura

Lesezeit: 2 min

Von Michael Kläsgen, München

Wenn Verwandte Konflikte zu lösen versuchen, ist das offensichtlich nicht weniger haarig, als wenn das Geschäftspartner tun, die sich fremd sind. Daran ändert sich offenbar auch nichts, wenn beide Anthroposophen sind, obwohl Ánthrõpos im Altgriechischen "Mensch" und Sophía "Weisheit" bedeutet. Aber manchmal ist beides, Mensch und Weisheit, schwer in Einklang zu bringen.

Die beiden Schwäger Götz Werner, 72, und Götz Rehn, 66, wissen das. Der Gründer der dm-Drogeriemarktkette, eines der beliebtesten Unternehmen Deutschlands, und der Chef der stark wachsenden Bio-Supermarktkette Alnatura, streiten entgegen anderslautender Berichte weiter unversöhnlich miteinander. Dass beide Männer Verwandte und Anthroposophen sind, hilft anscheinend wenig bei der Frage, wer eigentlich die Rechte an der Marke Alnatura hat. Und auch die Frage, ob dm noch ein Mitspracherecht hat, wenn es darum geht, welche Vertriebspartner Alnatura hat, obwohl der Drogeriemarkt angefangen hat, Alnatura-Produkte aus dem Regal zu nehmen und eine eigene Bio-Marke zu kreieren, ist ungeklärt.

Werner ist überzeugt, dass er die Marke Alnatura erst groß gemacht hat. Denn dm war lange der mit Abstand wichtigste Vertriebskanal von Rehns Textilien und Lebensmitteln aus biologischem Anbau. Deshalb klagte Werner, um die Markenrechte zu bekommen. Das Unternehmen dm will sich zudem weiter per Klage das Mitspracherecht beim Vertrieb erstreiten.

Daran hat sich nichts geändert. Schlimmer noch: Das persönliche Zerwürfnis zwischen den beiden seit drei Jahrzehnten verbundenen Geschäftspartnern hat sich in dieser Woche eher noch vergrößert. Ein Schreiben, das Alnatura ein "Vergleichsangebot" nennt, dm aber als "anwaltliches Schriftstück" abtut, hätten die Anwälte der Drogeriekette am vergangenen Dienstag schnöde zurückgewiesen - bedauert Alnatura. Die dm-Sicht ist jedoch eine komplett andere: Auf dieses Papier habe man gar nicht geantwortet und auch nicht antworten müssen, sagt ein dm-Sprecher. Keine Frage, die Fronten sind verhärtet, vielleicht so verhärtet wie nie zuvor.

Jeder will, dass der andere den ersten Schritt hin zur Versöhnung macht

Dabei hatte in allen Zeitungen vor Kurzem noch gestanden, dass Werner und Rehn Frieden geschlossen hätten. Ein Weiser aus dem Morgenland, der Ägypter Ibrahim Abouleish, 78, selber anthroposophischer Geschäftsmann und mit beiden seit Jahrzehnten befreundet, war extra nach Süddeutschland gereist, um die Entzweiten wieder zu einen.

Nach dem Dreiertreffen hatten Werner und Rehn tatsächlich am 15. Februar handschriftlich vermerkt: "Auf Initiative und Vermittlung von Sekem-Gründer Dr. Ibrahim Abouleish haben sich die Gründer von dm und Alnatura Götz Werner und Götz Rehn versöhnt. Auf dieser Grundlage werden die Anwälte beauftragt, die Auseinandersetzungen vergleichsweise beizulegen." Doch nichts dergleichen ist bisher geschehen.

Alnatura stellt den Fortlauf der Dinge so dar: Rehn sei entsprechend der gemeinsamen Erklärung davon ausgegangen, dass Werner seine Berufungsklage auf die Markenrechte an Alnatura zurückziehe. Nachdem dies innerhalb der folgenden Wochen nicht geschehen war, habe Alnatura am 29. Februar eben jenes "Vergleichsangebot" geschickt, dass aus dm-Sicht keines ist.

Erich Harsch, der Vorsitzende der Geschäftsführung von dm, teilt der Süddeutschen Zeitung dazu trocken mit: "Für uns überraschend hat Alnatura uns am 29. Februar einen Schriftsatz zum laufenden Verfahren zukommen lassen, weshalb wir davon ausgehen, dass Götz Rehn zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Vergleichsverhandlungen aufnehmen will." Vertrackter könnte es kaum sein. Rehn will, dass Werner zunächst die Klagen zurückzieht, um eine Versöhnung einzuleiten. Bei dm hält man dieses Ansinnen hingegen "formallogisch" für "nicht nachvollziehbar". Rehn müsse den ersten Schritt gehen, nicht dm.

Die Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten verfolgen den bizarren Zwist zunehmend irritiert, und das wissen die beiden Erfolgsunternehmer, die ja auch Anthroposophen sind.

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Quelle:
SZ vom 11.03.2016
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