Streit um "Made in Germany":Label ohne Wert

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Kochtopf "Made in Germany". Heißt aber nicht, dass das Produkt auch tatsächlich in Deutschland entwickelt und vollständig produziert wurde.  (Foto: dpa)

Die deutsche Industrie nutzt das Etikett "Made in Germany" als Abgrenzung von vermeintlich minderwertiger Konkurrenz aus dem Ausland. Dass die EU nun zum Kampf gegen das Label ruft, ist völlig unnütz. Denn in Wirklichkeit ist die Idee, eine Herkunftsangabe als Qualitätsnachweis zu verstehen, fast schon abenteuerlich gestrig.

Ein Kommentar von Angelika Slavik

Deutschland. Die Menschen assoziieren unterschiedliche Dinge mit Deutschland. Manche denken an Bratwurst und Sauerkraut, andere an reservierte Liegen am Hotelpool. Manche denken zuerst an düsterste Kapitel der Vergangenheit. Aber viele denken eben auch: an deutsche Ingenieurskunst. An Erfindergeist. Und an Zuverlässigkeit.

Mit dem Label Made in Germany versucht die deutsche Industrie, sich diese letztgenannte Assoziation zunutze zu machen. Sie versteht das nicht einfach als Herkunftsangabe, sondern vielmehr als Gütesiegel: als Abgrenzung von der vermeintlich minderwertigen Konkurrenz aus dem Ausland. Dass die EU nun genau regeln will, welche Kriterien für Herkunftsbezeichnungen ausschlaggebend sind, passt führenden Industrievertretern überhaupt nicht. Sie rufen zum Kampf um Made in Germany - aber das ist ein völlig unnützes Gefecht. Denn in Wirklichkeit braucht das Etikett "Made in Germany" niemand mehr.

Im Gegenteil: Die Idee, eine Herkunftsangabe als Qualitätsnachweis zu verstehen, ist fast schon abenteuerlich gestrig. Das liegt zum einen daran, dass Made in Germany ja längst nicht mehr bedeutet, dass ein Produkt auch tatsächlich in Deutschland entwickelt und vollständig hier produziert wurde. Wo Deutschland draufsteht, ist heute Globalisierung drin. Da werden Komponenten aus dem Ausland zugekauft, da werden Fertigungsprozesse in Länder mit niedrigeren Löhnen verlagert. Das ist nicht grundsätzlich verwerflich, aber die Produkte am Ende als explizit "deutsch" zu deklarieren, ist schlicht Etikettenschwindel.

Dazu kommt, dass die Idee von der deutschen Industrieführerschaft vielleicht noch in vielen Köpfen verankert sein mag; der Mythos aber hat Risse bekommen. Deutschland, das ist heute eben auch: ein Land, das partout keinen Hauptstadt-Flughafen zustande bekommt. Autohersteller, die bei der Entwicklung neuer Antriebe der Konkurrenz hinterherhecheln. Energiekonzerne, die unbedingt an alten Technologien festhalten wollen.

Natürlich ändert das nichts daran, dass es im ganzen Land viele Firmen und Ingenieure gibt, die tatsächlich Produkte von höchster Qualität herstellen, in allen denkbaren Bereichen. Produkte, die brillant konzipiert und gewissenhaft gefertigt sind, vielleicht sogar zur Gänze in Deutschland. Aber die brauchen kein überholtes Länderetikett, die setzen sich aus einem anderen Grund am Markt durch: weil sie gut sind.

Herkunft als identitätsstiftend zu betrachten, als etwas, das Zugehörigkeit und Abgrenzung definiert - dieses Konzept funktioniert nicht mehr. Nicht in Bezug auf Menschen und nicht in Bezug auf die Dinge, die diese Menschen herstellen. Oder anders ausgedrückt: Herkunft ist keine Leistung. Ein deutsches Auto ist nicht besser als ein rumänisches, weil es deutsch ist. Es ist besser, wenn Antrieb, Verbrauch, Sicherheit und Design überlegen sind.

In der heutigen Zeit gehen immer mehr Menschen sehr bewusst mit ihrer Macht als Konsumenten um. Viele legen nicht nur Wert auf Qualität, sondern achten etwa auch auf die Bedingungen, unter denen Produkte hergestellt werden. Sie bevorzugen Waren aus nachhaltigen Produktionsprozessen, sie möchten sicher sein, dass alle Umweltauflagen eingehalten wurden. Sie suchen nach Produkten, bei deren Herstellung die Mitarbeiter in einem sicheren Umfeld arbeiten und dafür auch menschenwürdig bezahlt werden. Um diese Produkte aus einem kaum zu überblickenden Konsumangebot herauszufiltern, nützen viele Menschen tatsächlich Gütesiegel, etwa von Umweltorganisationen oder Konsumentenschützern. Ein Pseudo-Siegel wie Made in Germany dagegen ist bei so einem Auswahlprozess gar nicht hilfreich: weil es, genau genommen, für überhaupt gar nichts garantiert. Nicht für deutsche Bauteile, nicht für mehrheitlich deutsche Arbeitsplätze, schon gar nicht für deutsches Lohnniveau.

Für die Unternehmen lautet die Aufgabe also, eine Identität zu entwickeln, die auch ohne das Etikett Made in Germany für all die vermeintlich deutschen Attribute von Zuverlässigkeit, Qualität und höchsten technischen Standards bürgt. Im Idealfall schaffen sie eine Marke, die außerdem auch noch modernen Umwelt- und Sozialstandards genügt.

Diese Herausforderung muss keineswegs eine Bürde sein. Moderne Konsumenten verlangen schlicht nach Qualität auf allen Ebenen. Wenn die deutsche Industrie so gut ist, wie ihre Vertreter gerne behaupten, dann kann ihr die aktuelle Entwicklung doch eigentlich nur zupasskommen.

© SZ vom 10.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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