Süddeutsche Zeitung

Streit um Lufthansa-Flugmeilen:Miles & Less

Das "Miles & More"-Programm der Lufthansa soll aus den besten Kunden auch die zufriedensten Kunden machen. Seit der Wert der gesammelten Meilen von der Fluggesellschaft herabgestuft wurde, ist das Gegenteil der Fall. Der erste Vielflieger ging deshalb bereits vor Gericht, nun wird das Thema auch in die Lufthansa-Hauptversammlung getragen.

Michael Kuntz

Ein Flugzeug soll seinen Namen tragen. Das ist der Traum von George Clooney im Spielfilm "Up in the Air". Er spielt einen dieser Menschen, die viel fliegen und dabei viele Meilen sammeln. Sie dürfen am First-Class-Schalter einchecken und die Wartezeit bis zum Abflug in komfortablen Warteräumen verbringen. Sie dürfen sich aus Prämienkatalogen nette Dinge aussuchen: Wein, den passenden Kühlschrank, einen neuen Koffer. Oder sie dürfen ihre Meilen gegen Flugtickets eintauschen.

Eigentlich werden solche Programme von den Fluggesellschaften eingesetzt, um aus ihren besten auch zufriedene Kunden zu machen. Das klappt nicht immer. So gibt es derzeit mächtig Streit um das "Miles & More"-System der Lufthansa. Das Prämienprogramm wird im Internet heftig diskutiert, nun soll es auch auf der Hauptversammlung am 8. Mai in Köln darum gehen.

Statt Meilen und mehr gibt es "Miles & Less". Die Lufthansa verlangt seit Anfang 2011 beispielsweise für interkontinentale Flüge 15 bis 20 Prozent mehr Meilen als vorher. Internet-User sehen in Foren wie Vielfliegerforum.de, Vielfliegertreff.de oder Meilenschwund.wordpress.com darin eine große Ungerechtigkeit. Viele beklagen sich darüber, dass nach acht Jahre mit stabilen Konditionen mit einer solchen Änderung nicht zu rechnen gewesen sei.

Für seine Meilen zog der Hamburger Professor Tobias Eggendorfer, 35, sogar vor Gericht und bekam recht. Das Landgericht Köln bestätigte dem Hochschullehrer, der im Laufe der Jahre 887.000 Meilen gehortet hatte, die Änderung der Bedingungen für Freiflüge sei für ihn unwirksam. Ein Zeitraum von vier Wochen zwischen Ankündigung und Inkrafttreten der Änderung seien zu kurz, um Vielfliegern die Gelegenheit zu geben, ihre Meilen noch zu den alten Bedingungen einzulösen.

Kläger: Bewertung der Flugmeilen ist "hoch relevant"

Der Sieg vor Gericht genügt dem Professor mit Abschlüssen in den Studienfächern Technische Informatik, Wirtschaftsingenieurwesen und Informatik nicht. Er hat sich eines weiteren Themas angenommen. Er hält die Bewertung der Meilen in der Bilanz der Lufthansa für "hoch relevant". Bei der Hauptversammlung der Lufthansa will Eggendorfer deshalb einen Gegenantrag des Aktionärs Peter Dietrich unterstützen. Dietrich erscheint ein Wechsel der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "zum Wohle der Gesellschaft und dem Schutz vor weiteren Bilanzierungsfehlern und deren Auswirkungen zwingend".

Der Aktionär hält es für falsch, dass die Lufthansa pro Meile nur eine Rückstellung von 0,8 Cent bilde. Vor Gericht in Köln habe die Gesellschaft den Wert einer Prämienmeile auf mindestens 2,77 Cent beziffert. Das sei auch die Größenordnung, welche die Lufthansa beim Verkauf von Prämienmeilen verlange. In Anbetracht von Rückstellungen für 201 Milliarden Flugmeilen sei es für das Konzernergebnis aber erheblich, ob diese Rückstellungen 1,607 Milliarden Euro (bei 0,80 Cent) oder zum Beispiel mindestens 4,020 Milliarden Euro (bei 2,00 Cent) betragen.

Lufthansa: Meilen sind keine Parallelwährung mit festem Wechselkurs

Ein Lufthansa-Sprecher sagte der Süddeutschen Zeitung, die Angabe vor dem Landgericht beziehe sich auf ein vom Kläger entwickeltes Rechenmodell, das mit der tatsächlichen Praxis bei der Lufthansa nichts zu tun habe. Die Bilanzierung zu 0,80 Cent pro Meile entspreche den geltenden internationalen Bilanzierungsregeln und sei von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Rahmen des Jahresabschlusses gebilligt worden. Bei den Meilen handele es sich keineswegs um eine Parallelwährung mit festem Wechselkurs.

Was ein Vielflieger für seine Meilen als Gegenwert in Euro bekommt, bleibt bei der Lufthansa wie auch ihren Wettbewerbern ein Geheimnis. Viele verschiedene Buchungsklassen und tagesaktuelle Ticketpreise machen die Sache unübersichtlich. Die Airlines versuchen, den jeweils günstigsten Preis für jeden Zeitpunkt zu erzielen. Yield-Management heißt dieser Mix aus mathematischen Modellen und Eingriffen von Menschen in die entsprechenden Computerprogramme. Da kommt es sogar vor, dass ein Flug gegen Meilen teurer wird als ein Ticket zum Schnäppchenpreis.

Preisanpassungen wie bei "Miles & More" gebe es immer im Leben, an Tankstellen und auf dem Wochenmarkt für Äpfel, stellt der Lufthansa-Sprecher fest. Es handele sich auch um keine grundsätzliche Schlechterstellung der Kunden. Es gebe auch neue Vorteile. So seien Flugprämien in der First- und Business-Class nun auch als Flüge in nur einer Richtung ohne Aufschlag buchbar, und auch der Zuschlag für einen Rückflug am selben Tag sei entfallen. Beides kommt allerdings nicht allzu häufig vor.

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SZ vom 14.04.2012/feko
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