Der Euro steht auf der Kippe. Fällt er, wird das in Deutschland viele Arbeitsplätze kosten, die ein beispielloser Exportboom dem Land beschert hat. In so einem historischen Moment wünscht man sich schon länger, das Staatsoberhaupt möge in die Debatte eingreifen.
Christian Wulff aber ließ sich Zeit, viel mehr Zeit als sein Vorgänger Horst Köhler, der zur Finanzkrise bald beißend-treffende Worte fand. Nun kritisiert Wulff endlich: Europas Zentralbank dürfe keine Anleihen schwächelnder Euro-Staaten aufkaufen. Nur: Sie tat dies erstmals im Mai 2010. Wulff fällt es 15 Monate später auf. Es wäre auch hilfreich gewesen, wenn Wulff den konkreten Teil seiner Rede nicht nur auf diesen einen Aspekt der Euro-Rettung beschränkt hätte.
Deutschland hätte einen Präsidenten verdient, dem zur Währungsunion mehr einfällt. Das gilt umso mehr, als der Euro gerade dabei ist, sein Fundament zu verlieren. Der Währungsbund hängt davon ab, dass seine Mitglieder eine Gemeinschaft bilden. 325 Millionen Bürger, 17 Sprachen und mindestens fünf wirtschaftspolitische Traditionen unter einen Hut zu bringen, ist herausfordernd.
Die historischen Vorbilder mit viel weniger Teilnehmern scheiterten an dieser Aufgabe. Die Euro-Gemeinschaft schien die ersten Jahre ganz gut zu funktionieren. Ja, die Harmonie ging zulasten des Ergebnisses, weil absehbare Fehlentwicklungen etwa in Griechenland kaum korrigiert wurden. Das Bestehen des Euro aber stellte niemand in Frage. Nun jedoch beginnt die Währungsunion zu zerfallen. Sie hört langsam auf, eine Gemeinschaft zu sein. Und weil sie nur als Gemeinschaft überleben kann, bedeutet das ihr Ende - wenn der Zerfall nicht schnell gestoppt wird.
Die jüngste Attacke auf die Gemeinschaft kommt aus Finnland. Bei der Hilfe für marode Euro-Staaten sind alle gleich, lautete der Konsens, doch die Finnen wollen gleicher sein: Wegen innenpolitischen Drucks von rechts verlangen sie besondere Garantien für ihre Hilfe. Prompt forderten die Österreicher und andere ebenfalls Rabatte mit Argumenten wie dem, deutsche Banken hätten mehr Geld in Griechenland zu verlieren, weswegen die deutschen Steuerzahler stärker bluten sollten.
Europa kennt diese Rabatt-Debatten vom EU-Haushalt. Die Britin Margaret Thatcher erzwang vor 30 Jahren einen Beitragsnachlass für ihr Land, weil es angeblich wenig von EU-Subventionen profitierte. Sie schuf damit 30 Jahre Streit um den Brüsseler Etat. 30 Jahre Streit wird der Euro nicht überstehen, weshalb die Regierungen den Finnen-Rabatt ablehnen müssen.
Es bringt auch wenig, wie manche in der CDU griechisches Gold als Kreditsicherheit zu fordern, ohne sich vorher schlau zu machen: Athens Goldreserven sind ein Bruchteil dessen wert, was das Land an Euro-Krediten bekommt. Die beiden Vorstöße, ob aus Finnland oder zum Gold, zeigen ein Drama: Die Solidarität der Euro-Helfer bröckelt. Und das ist verständlich.
Trotz vieler Sparpakete rätseln die Steuerzahler in Deutschland und anderswo, ob die angeschlagenen Eurostaaten dauerhaft solide wirtschaften. Die Reform der Euro-Schuldenregeln bleibt zu vage, um Sicherheit zu schaffen. Der Unmut wächst. Wenn dagegen nichts getan wird, winken die Regierungs-Fraktionen in Berlin und andernorts keine Rettungspakete mehr durch.
Deshalb lag Angela Merkel mit Vorschlägen jener Art richtig, in ganz Euro-Land Schuldenbremsen einzuführen. Die Empfänger von Hilfe sollten den Gebern mehr Sicherheit verschaffen. Damit der Euro als Gemeinschaft funktioniert, dürfen die Helfer nicht mit zusammengebissenen Zähnen helfen und die Empfänger nicht ihre eigene Sanierung sabotieren. Wenn in Spanien Regionalisten, Linke und Gewerkschafter die Schuldenbremse blockieren, sprengen sie die Gemeinschaft genauso wie die Finnen. Es geht nur zusammen: Mit willigen Helfern und willigen Sanierern.