Streit um Euro-Rettung:Draghi und Weidmann ringen um EZB-Linie

Lesezeit: 3 min

Soll die Europäische Zentralbank spanische Anleihen kaufen, um das Vertrauen der Märkte zu gewinnen und den Euro zu retten? Nein, sagt Bundesbank-Präsident Weidmann. EZB-Chef Draghi versucht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Unterstützung erhält Weidmann allerdings von manchen Politikern.

Oliver Klasen

Jean-Claude Juncker, der Chef der Euro-Gruppe, hat angekündigt, dass "in den nächsten Tagen" wichtige Entscheidungen fallen werden. "Die Welt redet darüber, ob es die Euro-Zone in einigen Monaten noch gibt", so der luxemburgische Premier in der Süddeutschen Zeitung. Angesichts dessen müssten die Euro-Länder jetzt "mit allen verfügbaren Mitteln" ihre feste Entschlossenheit zeigen.

Jens Weidmann, der Präsident der Bundesbank, ist einer der wenigen, die sich dagegen wehren, dass die Europäische Zentralbank Anleihen von Krisenstaaten aufkauft. (Foto: dapd)

Es spricht einiges dafür, dass Junckers Ankündigung mehr ist als bloßer Zweckoptimismus, um die angesichts der Schuldenkrise einiger Euro-Staaten misstrauischen Märkte zu beschwichtigen. Zahlreiche Politiker-Treffen finden zu Anfang dieser Woche statt. Am Mittag trifft US-Finanzminister Timothy Geithner mit Wolfgang Schäuble zusammen. Das kurzfristig anberaumte Treffen findet auf Schäubles Urlaubsinsel Sylt statt. Ein Presse-Statement, so hieß es zunächst, werde es nicht geben, nur einen Fototermin. Anschließend reist Geithner nach Frankfurt, wo er mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, über Maßnahmen zur Bekämpfung der Euro-Krise beraten will.

Gerüchten zufolge soll noch ein weiteres Gespräch geplant sein: Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, will Draghi noch vor der nächsten Sitzung des Euro-Notenbankrats am Donnerstag mit Bundesbank-Chef Jens Weidmann zusammenkommen und eindringlich für ein stärkeres Engagement der EZB in der Krise werben.

"Gedankenaustausch bei einer Tasse Kaffee"

Weidmann ist einer der letzten Akteure, die sich gegen weitere Marktinterventionen im Kampf gegen die Euro-Krise wehren. Aus Zentralbankkreisen verlautete am Montag, es gehe bei dem Treffen vor der Zinssitzung um einen "Gedankenaustausch bei einer Tasse Kaffee". Das Treffen dürfte nach Ansicht von Beobachtern Gelegenheit geben, Differenzen über den weiteren Kurs der EZB in der Euro-Krise beizulegen.

Konkret geht es um den Ankauf von Staatsanleihen angeschlagener Staaten durch die EZB. Das würde die Nachfrage nach diesen Papieren erhöhen und so etwa im Falle Spaniens die Zinslast für Länder mindern. Die Zinsen hatten in den vergangenen Tagen zeitweise die kritische Schwelle von sieben Prozent überschritten.

Bereits 2010 hatte die EZB Staatsanleihen in Höhe von rund 210 Milliarden Euro aufgekauft, vor allem griechische Papiere. Schon damals hatte sich die Bundesbank stets dagegen ausgesprochen. Durchsetzen konnte sie sich nicht: Sie verfügt nur über einen der insgesamt 23 Sitze im Rat der EZB. Neben Weidmann sitzt hier zwar noch ein deutscher Vertreter, EZB-Direktor Jörg Assmussen. Doch auch zu zweit können sie leicht überstimmt werden. Die EZB versucht allerdings oft, Entscheidungen im Konsens zu treffen - so erklärt sich wohl auch Draghis Verstoß für ein Gespräch mit Weidmann.

Sowohl Draghi als auch Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande hatten in den vergangenen Tagen fast wortgleich gesagt, dass man "alles Notwendige dafür tun" müsse, um den Erhalt des Euro zu sichern. Diese Aussagen waren von Beobachtern dahingehend interpretiert worden, dass eine groß angelegte Aktion von Notenbank und Regierungen zur Beruhigung der Märkte kurz bevorstünde.

Weidmann und die Bundesbank sehen im Ankauf von Anleihen dagegen eine Art der Staatsfinanzierung, die der EZB nach den Europäischen Verträgen verboten ist. Außerdem führe es zu einem Nachlassen des Reformdrucks auf die verschuldeten Staaten in Südeuropa. In einem Gastbeitrag für die SZ hatte Weidmann erst vor wenigen Tagen vor einer weiteren Vergemeinschaftung von Haushaltsdefiziten gewarnt.

Unterstützung erhält Weidmann von einigen Politikern in der schwarz-gelben Koalition: Der hessische Europaminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hat die Bundesregierung aufgefordert, eine Klage gegen die EZB vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu prüfen. Hahn sagte der Welt, er wäre dafür, diesen "ungewöhnlichen Schritt ernsthaft zu erwägen". Der Ankauf von Staatsanleihen der Krisenländer habe mit dem Auftrag der EZB nichts mehr zu tun und könne zu Inflation in der Euro-Zone führen, sagte Hahn.

Vize-Regierungssprecher Georg Streiter weist Hahns Vorschlag allerdings zurück: "Natürlich hat die Bundesregierung volles Vertrauen in das unabhängige Handeln der EZB". Die Zentralbank erfülle ihre Pflicht und die Politik habe die notwendigen Instrumente geschaffen. Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte weiter, Sekundärmarktkäufe von Anleihen seien nach Auffassung des Ministeriums gemäß EU-Vertrag "nicht unzulässig". Das Ministerium sehe daher weder einen Grund noch einen Anlass für eine Klage.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer warnte, vor allem an die Adresse Junckers gerichtet, ebenfalls vor einem panischem Herbeireden neuer Krisenmaßnahmen: Seehofer sagte vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München, das Verhalten Junckers sei "grenzwertig". So trage dessen Warnung vor einem Zerfall der Euro-Zone "ganz gewiss nicht zur Beruhigung der internationalen Finanzmärkte bei". Juncker hatte bei seinen Äußerungen auch deutsche Politiker angegriffen und moniert, dass sie "andauernd Innenpolitik in Sachen Euro-Fragen" machten. Auch sei das "Geschwätz" über einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone nicht hilfreich.

Die Märkte bewerten die Überlegungen, die EZB bei der Bekämpfung der Euro-Krise stärker in die Pflicht zu nehmen, unterdessen positiv: Der deutsche Aktienindex startete mit leichten Kursgewinnen in die neue Woche. Die Gemeinschaftswährung hielt sich knapp unter der Marke von 1,23 Dollar.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/dpad/AFP/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: