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Streit um Euro-Krisenstrategie:Schäuble verurteilt "Horrormeldungen" der Ökonomen

"Empörend und verantwortungslos": Finanzminister Schäuble geht hart mit jenen 160 Wirtschaftwissenschaftlern ins Gericht, die öffentlich gegen Merkels Politik protestierten. Auch andere Ökonomen schalten sich in die Debatte ein - und schlagen sich auf die Seite der Kanzlerin.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält die Kritik von mehr als 160 Ökonomen an den jüngsten Beschlüssen des EU-Gipfels für unverantwortlich. Wenn die Wirtschaftswissenschaftler von einer drohenden Vergemeinschaftung von Bankenschulden sprächen, dann treffe das überhaupt nicht zu, sagte der CDU-Politiker im Inforadio des RBB.

Mehr als 180 Wirtschaftswissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum hatten in einem offenen Brief vor einer "Sozialisierung der Schulden" in Europa in Verbindung mit Schritten zu einer europäischen Bankenunion gewarnt.

Schäuble wies energisch den Vorwurf zurück, mit der möglichen Öffnung des Rettungsschirms ESM für Bankenhilfen könnte Deutschland auch für Bankenschulden haften. "Im Kern geht es ja nicht darum, die Haftung zu vergemeinschaften, sondern eine gemeinsame Aufsicht in Europa zu schaffen", sagte er mit Blick auf die geplante europäische Bankenaufsicht, die Voraussetzung ist für mögliche Bankenhilfen über den ESM. Aus dem Rettungsschirm für Staaten sei mit Sicherheit nicht ein Rettungsschirm für Banken geworden, betonte Schäuble.

Der Finanzminister räumte ein, dass es schwierig sei, der Bevölkerung immer wieder zu erklären, wie wichtig die gemeinsame Währung sei. "Wenn diese Europäische Währung auseinanderbrechen würde, wäre eine wirtschaftliche Katastrophe für Deutschland, für Europa, für die ganze Weltwirtschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Das zu verhindern, ist unsere Aufgabe."

Den Wissenschaftlern warf Schäuble vor, mit "Horrormeldungen" Verwirrung in der Öffentlichkeit zu stiften. "Ich finde das empörend. Ich finde das der Verantwortung eines Wissenschaftlers nicht entsprechend."

Offener Streit unter Ökonomen

Seit der Veröffentlichung des Protestbriefs ist unter Wissenschaftlern ein offener Schlagabtausch entbrannt. Unter der Überschrift "Keine Schreckgespenster" kritisieren sieben renommierte Wirtschaftswissenschaftler unterschiedlicher Denkrichtungen das erste Schreiben als schädlich. Die Argumente seien "nicht mit den erforderlichen Fakten unterlegt".

Zu den Unterzeichnern der am Freitag im Handelsblatt veröffentlichten Replik gehören unter anderem der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, und der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn. Es sei "nicht die Aufgabe von Ökonomen", die Öffentlichkeit "mit Behauptungen, fragwürdigen Argumenten und in einer von nationalen Klischees geprägten Sprache" zu verunsichern.

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