Streit um Diätmittelanbieter Herbalife:Schlammschlacht der Spekulanten

Streit um Diätmittelanbieter Herbalife: Süße Verlockungen: Zahlreiche US-Amerikaner sind übergewichtig - und Ziel von Diätanbietern wie Herbalife.

Süße Verlockungen: Zahlreiche US-Amerikaner sind übergewichtig - und Ziel von Diätanbietern wie Herbalife.

(Foto: AFP)

Betrügerisches Schneeballsystem oder legitimes Unternehmen? Um das Geschäftsmodell des Diätmittelanbieters Herbalife streiten nicht nur die Behörden - sondern auch Großinvestoren an der Wall Street. Selten zuvor ist ein Streit zwischen milliardenschweren Zockern so eskaliert wie in diesem Fall.

Von Moritz Koch, New York

Der Vorhang fiel am 20. Dezember 2012 auf einer Investorenkonferenz in Manhattan. Eigentlich ein Routinetermin für die Finanzelite, doch dieser Tag bleibt unvergessen. Bühne frei für Bill Ackman, die Hauptperson in dieser Groteske um viel Geld und noch mehr Eitelkeit. Der Hedgefonds-Manager war gekommen, um die Börse zu erschüttern. "Wer wird Millionär?", hieß seine Präsentation. Drei Stunden nahm Ackman sich Zeit, um ein Geschäftsmodell zu beschreiben oder besser: zu zerlegen. Das "am besten gemanagte Schneeballsystem in der Geschichte der Menschheit", wie er es nannte. Die Rede war von Herbalife.

Die US-Firma verkauft Pflege- und Diätprodukte weltweit über ein Netzwerk von selbstständigen Vertriebskräften - ähnlich wie der Kosmetikhersteller Avon. In Deutschland machte Herbalife von sich Reden, als es 2010 kurzzeitig die Eiskunstläuferin Katarina Witt als Werbepartnerin gewann. Jetzt steht Herbalife wieder in den Schlagzeilen, nur ist der Anlass wenig schmeichelhaft. Das Unternehmen befindet sich im Zentrum einer bizarren Finanzfehde, einer Schlammschlacht der Spekulanten. Sie gewährt einen Einblick in den sonst so verschlossenen Mikrokosmos der Hochfinanz, in dem nicht nur die Gier regiert, sondern auch die Geltungssucht.

Bill Ackman hält dabei die Rolle des Aggressors. Das globale Vertriebsnetzwerk von Herbalife sei ein Lügengebilde, giftete er bei seinem Auftritt auf der Investorenkonferenz. Ackman glaubt, dass die Vertreiber vor allem damit Geld verdienen, dass sie neue Vertreiber anwerben und ihnen Produkte verkaufen, anstatt Erlöse im Kundengeschäft zu erzielen. Seine Prognose: Der Kurs werde auf Null fallen, das Unternehmen Insolvenz anmelden. Der verbale Erstschlag zeigte Wirkung. Viele Anleger verloren die Nerven - und Ackman, der mit seinem Fonds Pershing Square mehr als eine halbe Milliarde auf einen Kursverfall gesetzt hatte, konnte sich die Hände reiben. Innerhalb weniger Tage stürzte die Herbalife-Aktie um 40 Prozent ab.

"Böswilliger Angriff"

Doch seither hat sich das Blatt gewendet. Im Januar ging es wieder aufwärts mit Herbalife. Das Unternehmen wehrte sich, sprach von einem "böswilligen Angriff" und versuchte, seine Aktionäre zu beruhigen: "Wir sind zuversichtlich, dass Sie verstehen werden, dass wir ein legitimes Unternehmen mit legitimen Kunden sind", sagte Herbalife-Chef Michael Johnson. Zumindest einen Großinvestor konnte Johnson überzeugen: Daniel Loeb, ebenfalls Hedgefonds-Manager und Ackmans Nemesis.

Ackmans "verkürzte These", informierte Loeb seine Investoren, impliziere, dass die US-Handelskommission FTC jahrzehntelang getäuscht wurde. "Wir halten diese These für lächerlich." Und Loeb beließ es nicht bei Worten. Mit 350 Millionen Dollar stieg er mit seinem Hedgefonds Third Point bei Herbalife ein, übernahm einen Unternehmensanteil von mehr als acht Prozent.

An der Wall Street heißt es, es sei nicht das erste Mal, dass sich Ackman und Loeb in die Haare gekriegt haben. Auch im Poker um die US-Handelsketten Target und J.C. Penney sollen sie gegeneinander spekuliert haben. Doch selten ist ein Streit zwischen milliardenschweren Zockern so eskaliert wie im Fall von Herbalife.

"Das ist kein ehrlicher Kerl"

Das große Hauen und Stechen erreichte vergangene Woche seinen Höhepunkt, als der legendäre Financier Carl Icahn zu Loeb in den Ring trat. Er sah den Zeitpunkt für eine Abrechnung mit seinem früheren Geschäftspartner Ackman gekommen. Der Schlagabtausch dauerte eine halbe Stunde - und fand live im Fernsehen statt. Selbst hartgesottenen New Yorker Brokern verschlug es die Sprache. Es ging zu wie in einer Seifenoper. "Ich habe genug von diesem Typ Ackman", zischte Icahn, der sich per Telefon in die Sendung schalten ließ: "Er ist eine Heulsuse." Ackman keifte zurück: "Das ist kein ehrlicher Kerl, und er ist kein Mann, der sein Wort hält." Icahns legte nach: "Er ist das beste Beispiel dafür, dass man sich einen Hund zulegen sollte, wenn man an der Wall Street einen Freund braucht."

Unklar ist, ob Icahn Anteile an Herbalife hält. Danach gefragt, zischte er den Moderator an: "Ich werde nicht über meine Herbalife-Position sprechen, weil Sie mir auf die Pelle rücken. Es schert mich einen Dreck, was Sie wissen wollen." Es ist kein Geheimnis, dass der 76-Jährige eine tiefe Abneigung gegen Ackman hegt. Der hatte ihn wegen eines mehr als zehn Jahren zurückliegenden Deals verklagt - mit Erfolg. Ein Gericht verurteilte Icahn zur Zahlung von neun Millionen Dollar.

Der Fall Herbalife wird die Wall Street noch lange beschäftigen. Auch am Montag wogte die Spekulantenschlacht hin und her. Erst stürzte die Aktie ab, dann erholte sie sich. Eine Meldung der FTC, aus der hervorging, dass Herbalife Gegenstand einer Untersuchung sei, schien Ackmans These vom großen Scheingeschäft zu unterstützen. Doch kurz darauf korrigierte sich die FTC, von Ermittlungen war keine Rede mehr. Die Anleger schöpften wieder Mut. Sehr zur Freude von Loeb und zum Leidwesen von Ackman. Nur einer kann diesen Kampf gewinnen.

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