Streit um den Emissionshandel:Grüne über Clement entsetzt

In der Regierungskoalition ist es zum offenen Streit über die Energiepolitik gekommen. Wirtschaftsminister Clement (SPD) stellte den Sinn der Ökosteuer in Frage - die Grünen sind empört.

Von Robert Jacobi

Nach Informationen aus Koalitionskreisen ist Clement "hochgradig und dauerhaft" verärgert über das Vorgehen von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) in der vergangenen Woche. Indem Trittin schon vor einem Spitzengespräch mit Clement zum Emissionshandel verkündet habe, es gebe eine Einigung, sei Clement automatisch in die Rolle des Verhinderers gedrängt worden.

Wolfgang Clement

Wolfgang Clement - beschädigt er ein Markenzeichen von Rot-Grün?

(Foto: Foto: AP)

Clement ist wütend

Aus Wut über den Kabinettskollegen entschloss sich Clement dann kurzfristig, den Streit mittels eines Interviews eskalieren zu lassen. Wenn der Emissionshandel funktioniere, seien Instrumente wie die Ökosteuer, die Kraft-Wärme-Kopplung und das Energieeinspeisegesetz darauf zu überprüfen, ob sie "noch oder noch in dem heutigen Maße" gebraucht würden, sagte Clement der Berliner Zeitung.

Als Zeitpunkt nannte er die Jahre 2006 und 2007. Deutschland habe die höchsten Energiepreise in Europa, die Industrie werde mit zusätzlichen Belastungen nicht fertig. Damit stellte Clement mehrere Lieblingsprojekte der Grünen in Frage.

Beim Koalitionspartner und in Teilen der SPD löste Clement damit Wut und teilweise auch Entsetzen aus. Um eine ernsthafte Krise zu verhindern, soll es womöglich noch in dieser Woche eine Gesprächsrunde auf höchster Ebene von Parteien und Fraktionen geben.

Rücktrittsforderung

Am Sonntag forderte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Düsseldorfer Landtag, Johannes Remmel, sogar den Rücktritt des Wirtschaftsministers. Angesichts der energiepolitischen Aussagen sei es konsequent, wenn Clement sich "aus der Regierung zurückzieht".

Der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Reinhard Loske, sagte, wenn die Ökosteuer wegfalle, würde der Rentenbeitrag um zwei Prozentpunkte steigen. "Das wäre ein regelrechter Jobkiller", so der Energiepolitiker. Große Teile der Einnahmen aus der Ökosteuer dienen dazu, die Rentenkassen zu entlasten. Clement mache einen "großen Fehler" und beschädige ein "gemeinsames Markenzeichen von Rot-Grün", sagte Fraktionschefin Krista Sager der Bild am Sonntag.

Kritik aus der eigenen Partei

Der SPD-Energieexperte Hermann Scheer bezeichnete Clements Aussagen als Einzelposition. "Mir fällt sonst niemand mehr in unserer Partei ein, der so denkt." Der Emissionshandel werde in seinen Wirkungen überschätzt.

Deshalb sei es aber erst recht "nicht sinnvoll", andere umweltpolitische Instrumente zurückzustellen. "Jeder Versuch in diese Richtung muss mit aller Härte zurückgewiesen werden", so Scheer. SPD-Fraktionsvize Michael Müller sagte, seine Partei werde am Kurs der ökologischen Modernisierung festhalten.

Im Streit um den Emissionshandel, der im kommenden Jahr europaweit eingeführt werden soll, stieß Clement dagegen auf Zustimmung bei Unionspolitikern und beim Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie, Hubertus Schmoldt. Setze Trittin sich durch, gingen weitere Arbeitsplätze verloren, sagte Schmoldt. CDU-Vizechef Christoph Böhr legte Clement nahe, in die Union überzutreten.

Verhandlungen ziehen sich schon Monate dahin

Trittin und Clement verhandeln seit Monaten um den Nationalen Allokationsplan, der festlegt, wie viele Emissionsrechte die Industrie zu Beginn des Handels frei zugeteilt bekommt. Der Emissionshandel soll Anreize setzen, den Ausstoß von Kohlendioxid weiter zu begrenzen. In seiner Politik bestärkt fühlte sich Clement nach Angaben aus Koalitionskreisen auch durch Gespräche mit Industrievertretern wie BASF-Arbeitsdirektor Eggert Voscherau.

Es gehe dem Minister darum, "Strukturbrüche in der Wirtschaft" zu vermeiden, die auf Kosten der Beschäftigten gingen, sagte eine Sprecherin. Gerüchte, dass Clement seinen Abgang in die Industrie vorbereite, wies sie als "Unsinn" zurück.

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