Süddeutsche Zeitung

Streit über Zwangsabgabe in Zypern:"Ein gewaltiger Fehler"

Lesezeit: 3 min

Das Parlament in Nikosia hat die Pläne zu einer Zwangsabgabe auf zyprische Bankkonten abgeschmettert. Doch die Pläne haben schon Schaden angerichtet, sagt der zyprische Anwalt Angelos Exadaktylos, der ausländische Investmentfirmen berät. Ein Gespräch über Profiteure und das Vertrauen von Investoren in die EU.

Von Vanessa Steinmetz

Und jetzt? 5,8 Milliarden Euro muss die Regierung in Nikosia auftreiben, wenn sie das Rettungspaket der EU in Höhe von zehn Milliarden Euro noch bekommen will. Die Troika aus Euro-Zone, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) fordert im Gegenzug für die internationale Kredithilfe, dass die Mehrheit der Kontoinhaber in Zypern eine Zwangsabgabe zahlt. Ein entsprechendes Gesetz wurde am Dienstag vom zyprischen Parlament aber nach Protesten aus der Bevölkerung geschlossen abgelehnt. Präsident Nikos Anastasiadis hofft auf Nachverhandlungen.

Seine Klienten hingegen dürfte die Parlaments-Entscheidung zunächst einmal freuen: Angelos Exadaktylos ist Anwalt in einer zyprischen Kanzlei und hat sich auf Finanzrecht spezialisiert. Er vertritt vor allem internationale Unternehmen, Banken und Investmentfirmen aus Russland, der Ukraine oder Deutschland. Die Investoren hätten das Vertrauen in die EU verloren, sagt Exadaktylos. Die Krise der klammen Mittelmeerinsel könne für seine Generation zu einer Belastung werden.

Süddeutsche.de: Sind Sie nach der Blockade der Pläne der Euro-Gruppe erleichtert?

Angelos Exadaktylos: Die Entscheidung des Parlaments bringt uns mehr Ungewissheit. Letztlich haben wir Zyprer das demokratisch beschlossen. Niemand hier wollte die Zwangsabgabe, also hat das Parlament die Pläne abgelehnt. Aber wir wissen nicht, ob der "Plan B" besser sein wird.

Und Ihre Klienten? Wie reagieren die?

Bisher hat sich noch niemand von ihnen gemeldet. Das war am Wochenende noch anders. Da haben mich viele Mandanten von außerhalb Zyperns angerufen und gefragt, was los sei. Ich wusste im ersten Moment nicht, was ich ihnen sagen sollte. Mit einer Abgabe dieser Art hatte niemand gerechnet. Vor allem, weil Präsident Anastasiadis vor der EU-Sitzung noch versichert hat, dass es so etwas nicht geben werde. Die Pläne kamen für uns also völlig überraschend.

Und was wollten Ihre Mandanten konkret?

Viele wollten, dass wir ihr Geld transferieren, also aus dem Land bringen, sobald die zyprischen Banken wieder geöffnet haben. Kurz: Alle waren im Panik-Modus. Aber nur weil die Klienten heute noch nicht angerufen haben, heißt es nicht, dass sie ihr Geld hier behalten wollen.

Was machen Sie selbst mit Ihrem Geld?

Ich werde mein Geld auf einem Bankkonto hier in Zypern lassen. Zwischendurch habe ich überlegt, einen größeren Betrag auf ein Konto in England zu schicken, aber selbst wenn das Schlimmste passiert und die zyprischen Banken pleitegehen, werden wir dafür entschädigt. Da bin ich mir sicher.

Wie soll so eine Entschädigung aussehen?

Die Regierung hat versprochen, dass es eine Art Kompensation geben soll. Das ist natürlich noch nicht vom Parlament beschlossen. Aber den Plänen zufolge würden die Menschen, die durch die Maßnahmen Geld verloren haben, mit Gewinnanteilen aus der geplanten Erdgasförderung und Bankenanleihen entschädigt werden. Auf lange Sicht ist das sogar eine gute Idee, aber jetzt gerade sind alle in Panik und begreifen das nicht.

Mit der Zwangsabgabe hätten Sie also auch leben können, da Sie ja eh entschädigt werden?

Nein. Was gerade passiert, zerstört das Vertrauen der Investoren in die Europäische Union. Wenn die 27 Finanzminister bereit sind, die Pläne einer Zwangsabgabe in einem kleinen Land durchzuführen, trauen ihnen die Investoren zu, dass sie das gleiche auch in anderen EU-Ländern machen. Zum Beispiel irgendwann in Lettland, das nächstes Jahr in die Euro-Zone eintreten will. Dort gibt es viele russische Investoren, die dann auch ihr Geld abziehen werden.

Zumindest hatten sich die Euro-Finanzminister bereiterklärt, Ausnahmen für Kleinsparer zu akzeptieren. War das nicht ein Minimum an Fairness?

Nur auf den ersten Blick. Zyperns Wirtschaft basiert auf dem Finanzsektor. Allein unter unseren Klienten aus Griechenland beispielsweise wollen 70 Prozent ihre Anlagen wieder zurück in ihre Heimat holen. Ich bin mir sicher, dass sich noch weitere Investoren zurückziehen und ihre Firmen in Zypern schließen werden. Dann verlieren viele Menschen hier ihre Jobs. Das können 25.000 Euro auf der Bank auch nicht wieder wettmachen.

Was denken die Zyprioten über Deutschland?

Die Deutschen müssen ziemlich genervt sein von ihren Politikern. Das denke ich und auch Deutsche, die hier leben. Die Regierung in Berlin entscheidet einfach über die Zukunft von anderen Staaten, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Das ist ein gewaltiger Fehler.

Gibt es denn einen anderen Weg, um Zypern aus der Krise zu führen?

Es gibt auch gerade das Gerücht, dass Gazprom zwei der angeschlagenen Banken in Zypern kaufen will. Das wurde zwischenzeitlich bestätigt, dann aber wieder dementiert. Im Moment hören wir ständig von neuen Szenarien.

Wer macht sich zurzeit in Zypern die größten Sorgen?

Vor allem meine Generation ist sehr besorgt. Ich bin 31 Jahre alt und habe vor drei Jahren angefangen zu arbeiten. Wir haben alle gerade das Studium hinter uns gebracht und fürchten nun, dass es die kommenden vier, fünf Jahre nicht besser für uns aussieht. Die Jüngeren, die Teenager und Studenten, machen sich nicht so viele Gedanken, weil sie sich noch keinen Job suchen müssen. Und die Älteren denken sich: Wir haben Geld verloren, was soll's? Sie haben den Krieg hier erlebt, deswegen packt sie das alles nicht so sehr.

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