Streit über Kreditwürdigkeit:S&P sieht USA langfristig ohne Top-Bonität

Ein Rechenfehler soll für die historische Herabstufung der US-Staatsanleihen verantwortlich sein. Das Finanzministerium behauptet, Standard & Poor's habe nicht richtig hingesehen - und deshalb die Haushaltskürzungen um satte 2 Billionen Dollar zu niedrig angesetzt. Die Ratingfirma hält dagegen - und kündigt an, dass es noch lange dauern kann, bis die USA wieder die Bestnote erhält.

Das US-Finanzministerium ist sich sicher: Ein Rechenfehler von Standard & Poor's ist schuld an der Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes. Für die Ratingagentur gehört die größte Volkswirtschaft der Welt seit Freitag nicht mehr zu den kreditwürdigsten Staaten - die von der Topnote AAA auf AA+ verschlechterte Bewertung sei allerdings nur entstanden, weil S&P bei der Berechnung nur von etwa zwei Billionen Dollar Haushaltskürzungen ausgegangen sei, schreibt John Bellows vom US-Finanzministerium auf der Internetseite der Behörde. Er liefert gleich eine erklärende Grafik mit und spricht von einem "grundlegenden mathematischen Fehler mit erheblicher Konsequenz": Tatsächlich seien es vier Billionen Dollar.

U.S. dollar notes are seen in this picture illustration taken at the Korea Exchange Bank in Seoul

Das Finanzministerium streut Zweifel: Haben die Experten von der Ratingagentur Standard  & Poor's zwei Billionen Dollar übersehen?

(Foto: REUTERS)

Wer hat Recht? Bellows' Argumentation: Bei der Berechnung der Schuldenentwicklung für die kommenden zehn Jahre habe die Ratingagentur fälschlicherweise zwei unterschiedliche Zeitschienen miteinander vermischt. Sie habe für die prognostizierten Haushaltskürzungen einen zu späten Startzeitpunkt angenommen - dadurch würden sich die Zahlen verschlechtern. Ohne diesen Fehler kämen die vier Billionen Dollar heraus, die die Agentur vor kurzem verlangt hatte, um die nun erfolgte Herabstufung zu vermeiden. S&P habe sich auch korrigiert.

Die Agentur selbst gibt zu, dass die Zahl nachgebessert werden musste - weist aber zurück, dass diese alleinverantwortlich für die Herabstufung war. Schuld seien nicht nur Zahlen, sondern auch die tiefen Gräben zwischen Demokraten und Republikanern. Der US-Kongress hatte in der vergangenen Woche den Haushaltskompromiss verabschiedet, nur Stunden vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Zuvor gab es wochenlange Konflikte zwischen der Demokratischen Partei von US-Präsident Barack Obama und den oppositionellen Republikanern, die die Märkte verunsicherten. Auf der einen Seite die Forderung nach Steuererhöhungen, auf der anderen Seite das Beharren auf Ausgabenkürzungen - bei dem Geschacher standen sich beide Seiten lange unversöhnlich gegenüber, und bei den Republikanern gab es intern breite Opposition von der Tea Party.

Diese Konstellation könne sich mit Blick auf die Präsidentenwahl im kommenden Jahr sogar noch verschärfen, argumentiert Standard & Poor's. Die Agentur nennt die zu befürchtende Dauerlähmung des Politikbetriebs in Washington als einen Grund für die Herabstufung der Kreditwürdigkeit: "Es sollte niemanden überraschen, dass wir uns auch den Prozess anschauen, in dem Politik gemacht wird", sagte S&P-Manager David Beers. Den politischen Risiken komme bei den Berechnungen ein "höheres Gewicht" zu als dem steuerlichen Teil.

Außerdem: Selbst eine Berechnung mit Zahlen, wie die US-Regierung sie fordere, ändere nichts daran, dass die US-Schuldenquote unter den "plausibelsten Annahmen" in den kommenden zehn Jahren steigen werde, sagte der S&P-Verantwortliche John Chambers dem Sender CNN. "Die Zahlen, die wir veröffentlicht haben, sind korrekt, und unsere Analyse ist einwandfrei."

Im Interview mit dem Sender ABC legt Chambers nach: Es dürfte einige Zeit dauern, bis das Land die Bestnote wiederbekomme. Die neue Note ist zugleich mit einem negativen Ausblick versehen. Dies signalisiert eine Tendenz zu einer weiteren Rating-Senkung - und zwar in den nächsten sechs bis 24 Monaten, wie Chambers erläuterte. Die Wahrscheinlichkeit dafür bezifferte er auf eins zu drei.

Die Unfehlbarkeit der Ratingagenturen ziehen allerdings gerade Kritiker in den USA in Frage, seit die Finanzkrise 2008 ihren Anfang genommen hat. S&P, Moody's und Fitch werden wegen ihrer Fehleinschätzungen für die Krise mitverantwortlich gemacht. "Diese Menschen sind nicht in der Position, Urteile zu fällen", schrieb der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Ökonom Paul Krugman in seinem Blog bei der New York Times. Robert Reich, der einst unter Präsident Bill Clinton Arbeitsminister war, erklärte, S&P sei durch früheres Versagen an den US-Schulden mitschuld. Die Herabstufung sei eine "Einmischung" in die Politik.

Auch für Milliardär Warren Buffett hat die Entscheidung von Standard & Poors keinen Sinn - "wenn es eine vierfache A-Note gäbe, würde ich sie den USA geben", sagte er.

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