Streit über Honorare:Diagnose: zu wenig

Die deutschen Ärzte fordern gut zehn Prozent mehr Honorar. Die Regierung gibt ihnen Rückendeckung.

G. Bohsem und N. von Hardenberg

In den Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) beharren die Vertreter der niedergelassenen Ärzte auf einem deutlichen Anstieg der Honorare. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung trübte sich das anfänglich gute Gesprächsklima am Donnerstag deutlich ein.

Streit über Honorare: Die Ärzte halten an ihren Forderungen fest: Sie wollen gut zehn Prozent mehr Honorar.

Die Ärzte halten an ihren Forderungen fest: Sie wollen gut zehn Prozent mehr Honorar.

(Foto: Foto: dpa)

Mindestens 2,5 Milliarden Euro

"Die Verhandlungen stehen kurz vor dem Platzen", sagte ein Sprecher am Nachmittag. KBV-Chef Andreas Köhler hatte bereits nach dem Scheitern der ersten Schlichtungsrunde mit bundesweiten Ärztestreiks und Praxisschließungen gedroht.

Die etwa 130.000 niedergelassenen Ärzte verlangen von den Kassen eine Honorarsteigerung von 4,5 Milliarden, mindestens aber 2,5 Milliarden Euro. Das wäre ein Plus von gut zehn Prozent. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen hatte der als Schlichter eingesetzte Duisburger Gesundheitsökonom Jürgen Wasem ein Angebot vorgelegt, das lediglich zusätzliche 2,3 Milliarden Euro vorsieht. Während die Kassen den Vorschlag weitgehend akzeptiert hätten, habe KBV-Chef Köhler ihn als zu niedrig bezeichnet. "Die Positionen sind noch weit voneinander entfernt", hieß es.

Rückendeckung von der Regierung

Scheitert auch diese zweite Schlichtungsrunde, kann die Bundesregierung die Honorarsteigerung festsetzen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten den Ärzten schon vor Beginn der Verhandlungen in Aussicht gestellt, dass ihre Bezüge um mindestens 2,5 Milliarden Euro steigen sollten und damit unter den Medizinern eine entsprechende Erwartungshaltung geweckt. In den vergangenen Tagen hatte Schmidt Ärzte und Kassen jedoch mehrmals dazu aufgerufen, den Konflikt ohne Hilfe der Politik zu lösen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieviel die Ärzte heute schon verdienen und warum eine Anhebung ihres Honorars den Patienten kaum zu Gute kommen würde.

Diagnose: zu wenig

Die Honorare der niedergelassenen Ärzte sind im deutschen Gesundheitswesen nach oben begrenzt. Nach Angaben der KBV behandeln die Mediziner deshalb etwa 30 Prozent ihrer Kassenpatienten, ohne dafür zusätzliches Geld zu erhalten. Die Kassen argumentieren damit, dass die Ärzte trotz aller Klagen gut verdienten und ein Anstieg ihrer Honorare zu höheren Beiträgen führen würde.

Durchschnittshonorar von 120.000 Euro

Steigen die Ausgaben der Kassen um die von den Ärzten geforderten 2,5 Milliarden Euro, erhöht sich der Beitragssatz von derzeit 14,9 Prozent des Bruttolohns um 0,25 Punkte. Ein niedergelassener Arzt verdient nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr durchschnittlich rund 120.000 Euro. Davon sind die Kosten etwa für die Praxis bereits abgezogen - Steuern, Krankenversicherung und Altersvorsorge jedoch nicht. Allerdings gibt es je nach Fachrichtung des Arztes große Einkommensunterschiede.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte die Forderungen. "Von den etwa 2,5 Milliarden Euro für die Ärzte haben die Patienten gar nichts. Nur die Einkommen der Ärzte verbessern sich", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Es sei an der Zeit, die Honorare anhand einer Gebührenordnung staatlich festzulegen, wie dies in den meisten europäischen Ländern üblich sei.

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