Streit bei Wüstenstromprojekt:Desertec-Investoren schicken Leiterin in die Wüste

Neuer Rückschlag für Wüstenstromprojekt Desertec

Der Streit bei Desertec war zuletzt eskaliert.

(Foto: dpa)

Von Putschversuchen und persönlichen Feindseligkeiten war zuletzt die Rede. Nach dem heftigen Streit um die künftige Strategie des Wüstenstromprojekts Desertec greifen die Investoren durch. Geschäftsführerin Wieland muss gehen, die Gesellschafter fordern einen Neustart.

Von Markus Balser, Berlin

Das Treffen sollte diskret und möglichst ohne öffentlichen Wirbel stattfinden. Da, wo Menschen sich sonst nur beiläufig begegnen. Am Flughafen in Frankfurt trafen sich am Dienstag hochrangige Manager internationaler Großkonzerne wie Munich Re, Eon oder der Deutschen Bank zu einem Krisengipfel, der über die Zukunft des Wüstenstromprojekts Desertec mitentscheiden dürfte. Das Ziel: den seit Monaten schwelenden Machtkampf um die künftige Strategie zu beenden.

Es gab offenbar viel zu klären, denn die Entscheidung fiel erst nach mehrstündiger Debatte. Dann war klar: Dii-Co-Chefin Aglaia Wieland, 38, hat den Machtkampf mit dem Niederländer Paul van Son, 60, verloren. Die Gesellschafter beschlossen die Trennung von der ehemaligen Unternehmensberaterin und hievten van Son allein an die Spitze der internationalen Planungsgesellschaft. Ein Neustart, hofft die Dii: "Wir konzentrieren uns jetzt wieder voll darauf, den Weg für das Wüstenstromprojekt zu ebnen", sagt der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung, Frank-Detlef Drake, der Süddeutschen Zeitung.

Ob das so schnell gelingt, ist allerdings fraglich. Denn so kühn die Wüstenstromvision klingt, so erbittert wurde zuletzt um sie gekämpft. Umgesetzt werden soll das Projekt Wüstensonne vom derzeit größten Industriekonsortium der Welt, in dem sich 50 Großkonzerne, Umweltschützer und andere Interessengruppen zusammengeschlossen haben.

Doch Gesellschafter, Manager und selbst die eigene Doppelspitze aus den Co-Geschäftsführern Wieland und van Son waren heillos zerstritten. Von revolutionärer Stimmung in der Dii war die Rede, von Putschversuchen und persönlichen Animositäten. Zentraler Streitpunkt der Kontrahenten: Paul van Son wollte den Export des Stroms nach Europa auf absehbare Zeit zu den Akten legen, Wieland das verhindern und am ehrgeizigeren Kurs festhalten - trotz großer Probleme bei der Umsetzung.

Die Dii-Gesellschafter stärken nun zwar van Son den Rücken, machen aber auch klar, dass sich an der Strategie nichts ändern soll: "Es bleibt unser Ziel, den massiven Ausbau erneuerbarer Energien in Nordafrika voranzutreiben", sagt Drake weiter. Dazu gehöre auch der Export von Energie nach Europa. Europäische Länder seien darauf in den nächsten Jahrzehnten angewiesen, um so ihre Klimaziele zu erfüllen. Auf kurze Sicht werde der Strom aber vor allem in Nordafrika gebraucht. Die Initiative wolle an Projekten demonstrieren, dass der Export technisch möglich sei. "Langfristig kann die Desertec-Vision zehn bis 20 Prozent des europäischen Bedarfs decken", sagt Drake.

"75 Prozent haben wir noch vor uns"

Die Ziele bleiben schillernd, doch in den Augen mancher Gesellschafter schwindet die Hoffnung, dass daraus etwas wird. Sie kritisieren hinter vorgehaltener Hand, dass die Dii mit der Entscheidung vom Dienstag eine Chance für einen echten Neuanfang mit neuer Spitze verspielt habe. Demnach hätten sich Gesellschafter die Ablösung beider Chefs gewünscht. Nun müsse van Son mit einem Management zusammenarbeiten, das sich gegen ihn ausgesprochen habe.

Nach Angaben aus Kreisen der Dii war der Streit in den vergangenen Tagen erneut eskaliert. Wieland habe in einem internen Schreiben einen Putschverdacht aus dem Lager ihres niederländischen Rivalen van Son scharf zurückgewiesen, heißt es aus dem Kreis der Gesellschafter. Ziel der Debatte sei es nicht, allein auf dem Chefposten zu sitzen, so Wieland. Es gehe vielmehr um strategische Differenzen von zentralster Bedeutung, heißt es in dem Papier. Entnervt von dem anhaltenden Streit waren in den vergangenen Monaten bereits mehrere Gesellschafter aus dem Projekt ausgestiegen. Zuletzt war auch noch der Namensgeber, die gemeinnützige Desertec-Stiftung abgesprungen. Die Konzerne Bosch und Siemens hatten die Dii bereits verlassen.

Die Deutsche Energieagentur (Dena) warb am Dienstag dafür, die Desertec-Idee weiterzuverfolgen. Die Energie aus Wüstenkraftwerken könne in Zukunft für Europa eine zentrale Bedeutung bekommen, sagte Dena-Chef Stephan Kohler der SZ. Bislang stammten erst 25 Prozent des erzeugten Stroms in Deutschland aus grünen Quellen. Damit sei erst ein Teil der Energiewende geschafft. "75 Prozent haben wir noch vor uns."

Kohler sprach sich dafür aus, das Projekt flexibler anzulegen. Noch gebe es in Europa keine Engpässe. Es sei sinnvoll, den erzeugten Strom zunächst in Nordafrika und dem Nahen Osten zu verbrauchen und auf mittlere Sicht Energieexporte nach Europa zu planen. Dies könne über Strom geschehen, aber auch über aus dem Strom erzeugtes Gas, weil es sich leichter transportieren und speichern lasse. "Es wäre ein Fehler, sich heute für ein bestimmtes System zu entscheiden, ohne die Techniken der Zukunft zu kennen", sagte Kohler.

Möglicherweise ahnte Wieland, was kommt: Es klang nach Abschied, als die Co-Geschäftsführerin kürzlich an die Gesellschafter schrieb: "Sie haben Regierungen, die Wirtschaft und Millionen Menschen inspiriert." Bei allem Trubel - die Desertec-Vision sei sehr lebendig. Aber sie brauche wohl einen Neustart.

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