Es ist ein Streik an einem neuralgischen Punkt der Weltwirtschaft. In Südkorea haben tausende Samsung-Arbeiter die Arbeit auf unbestimmte Zeit niedergelegt. Das trifft nicht nur den Vorzeige-Konzern eines ganzen Landes. Der Streik könnte auch zu Verwerfungen auf dem ohnehin angespannten Chip-Markt führen. Denn der ist äußerst konzentriert, Ausfälle einzelner Firmen haben weitreichende Auswirkungen.
Der Fall zeigt auch, welche Rolle einige wenige Unternehmen in der Branche spielen, von der ein großer Teil moderner Geräte von Smartphones bis zur Kriegstechnik abhängig ist.
In der Nationalen Samsung Elektronik Gewerkschaft sind mehr als 30 000 Angestellte organisiert. Tausende demonstrierten diese Woche vor Samsungs Fabriken südlich von Seoul. Sie fordern 3,5 Prozent mehr Lohn, höhere Boni und einen zusätzlichen Tag Urlaub pro Jahr. Samsungs Chip-Sparte erhielt vergangenes Jahr keinen Bonus wegen schlechter Zahlen. Die nächsten Quartalszahlen sollen der Prognose des Konzerns allerdings deutlich besser ausfallen, weil die Chip-Preise stark gestiegen sind.
Im Juni hatten die Arbeiter einen Tag gestreikt – zum ersten Mal in der 55-jährigen Geschichte von Samsung. Nun eskaliert der dreitägige Streik von Anfang dieser Woche. Die Gewerkschaft hat ihre Mitglieder aufgerufen, auf unbestimmte Zeit die Arbeit niederzulegen. Man habe „kein Wort“ von der Konzernführung gehört.
Samsung ist nicht nur der mit Apple größte Handyhersteller, sondern auch einer der wichtigsten Produzenten von Chips. Bei manchen Speicherelementen für Chips hält Samsung Marktanteile von bis zu 40 Prozent. Es sind also nicht irgendwelche Fabriken, die die Gewerkschaft bestreikt. Samsung ist eines der wenigen Unternehmen, die selbst die extrem teuren High-Tech-Fabriken für die Chipproduktion („Fabs“) betreibt.
Die Gewerkschaft macht auf ihrer Webseite keinen Hehl daraus, was ihr Ziel ist: Die Produktion zu stören, und: „Das Management wird seine Entscheidung bereuen.“
Es geht um die aufwendige Produktion von Wafern, jenen hauchdünnen Silizium-Rohlingen, die die Basis für Chips bilden. Samsung erklärte, man werde sicherstellen, „dass es zu keinen Störungen in der Produktion kommt“. Man wolle „lösungsorientierte Verhandlungen“ mit der Gewerkschaft.
Der Korea Times sagte ein anonymer Samsung-Offizieller, die bestreikte Produktion sei zwar weniger automatisiert als die für modernere Wafer, benötige aber auch keine besonders qualifizierten Arbeitskräfte. Die Streikenden ließen sich deshalb leicht ersetzen, Ein anderer bezeichnete die betroffenen Acht-Zoll-Wafer, die schon seit 1990 produziert werden, als „Nischenmarkt“.

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Eine Drohung dürfte Samsungs Management dennoch nervös machen. Die Gewerkschaft droht, ihre Aktionen auf die Produktion von HBM (high bandwith memory) auszudehnen, also Speicher mit hoher Bandbreite. Diese Chipelemente sind essenziell für den Bau von Hochleistungschips, mit denen moderne künstliche Intelligenz (KI) betrieben wird. Der Boom von KI-Software macht den Markt für passende Chips zu einem gigantischen Geschäft und das US-Unternehmen Nvidia zur nach Börsenwert wertvollsten Firma der Welt. Mit Nvidia verhandelt Samsung derzeit über einen großen Deal. Es geht darum, ob Nvidia bei Samsung HBM-Chips bestellt. Sie sollen den hohen Rechenaufwand stemmen, den KI benötigt.
Im Mai berichtete Reuters, dass Samsungs neueste HBM-Chips bei Nvidias Tests vorerst durchgefallen sein. Sie hätten zu viel Strom verbraucht und seien zu heiß gelaufen. Samsung bestritt das. Der Streik könnte also Samsungs Verhandlungsposition weiter schwächen und dazu führen, dass Nvidia sich für SK Hynix entscheidet, Samsungs großen Konkurrenten bei Speicherchips. Auch SK Hynix sitzt in Südkorea.
Samsung ist ein Chaebol, eines jener riesigen Konglomerate, die von den Familien ihrer Gründer kontrolliert werden und Südkoreas Wirtschaft dominieren. Chaebols gelten als Treiber des südkoreanischen Wirtschaftswunders der vergangenen Jahrzehnte, aber auch als Hort unfairer Monopolpraktiken, brutaler Hierarchien und Korruption. Bei Verbrechen kommen Mitglieder der mächtigen Familien Kritikern zufolge oft mit zu leichten Strafen davon. Beispiele für andere Chaebol sind Hyundai und LG.
2018 hatten mehr als 100 000 Südkoreaner gestreikt und eine Reform und Demokratisierung der Chaebol-Wirtschaft gefordert. Vergeblich.