Süddeutsche Zeitung

Streik bei der Lufthansa:Wir müssen reden

Die Lufthansa gleicht einer tief deprimierten Welt, quer durch den Konzern ist die Verunsicherung groß. Es ist klar, was zu tun wäre: Die Unternehmensführung muss offen kommunizieren. Im Prinzip hat Vorstandsvorsitzender Christoph Franz das Richtige vor - er müsste es nur offensiv verkaufen.

Jens Flottau

Das waren noch Zeiten vor 20 Jahren. Der damalige Lufthansa-Chef Jürgen Weber tingelte durch die Lande und redete auf die Mitarbeiter ein. Er wollte sie davon überzeugen, dass sie auf Geld verzichten müssten, um die Flugfirma vor der Pleite zu retten. Die Übung gelang weitgehend, auch wenn sich die Piloten Jahre später per Streik einiges von den Zugeständnissen zurückholten.

Das ist die große Frage: Ob der entscheidende Unterschied zwischen der Lage der Lufthansa damals und heute auf die Besetzung des Chefpostens zurückzuführen ist oder auf die Krise selbst. Ob es also nur eine anerkannte Führungskraft braucht, die Mitarbeiter überzeugen kann, Opfer zu bringen. Oder ob die damalige Krise des Unternehmens so viel existenzieller war als die heutige, und ob es die Lufthanseaten deshalb derzeit einfach (noch) nicht einsehen wollen, erneut Einschnitte hinzunehmen.

In Wahrheit setzt sich das aktuelle Problem der Lufthansa AG aus beiden Faktoren zusammen. Und Tatsache ist, die Flugbegleiter wollen streiken - offiziell für mehr Geld, inoffiziell gegen die mögliche Auslagerung ihrer Arbeitsplätze.

Jetzt, wo es zu Veränderungen kommen muss, offenbart sich besonders deutlich ein Mangel an Vertrauen und Kommunikation im Frankfurter Verkehrskonzern. Wer immer in diesen Tagen mit den eigentlich so von ihrer Firma überzeugten Lufthanseaten spricht, der gewinnt Einblicke in eine tief deprimierte Welt.

Quer durch den Konzern ist die Verunsicherung groß. Keiner weiß, wie es weitergeht und was persönlich droht. Paralysiert ist vor allem das Management. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet Beschäftigte streiken wollen, deren Arbeitsplätze (noch) nicht in Gefahr sind. Und die Verhandlungen mit den Piloten haben noch nicht einmal begonnen.

Bereits im Januar hatte Lufthansa das Sparprogramm Score angekündigt, das 1,5 Milliarden Euro bringen soll. Seither ist Schweigen angesagt. Nur wenige Details sind erarbeitet und noch viel weniger davon dringt zu den enervierten Mitarbeitern und an die Öffentlichkeit durch.

Es ist evident, was zu tun wäre: offen zu kommunizieren. Das wäre die halbe Miete. Dann bestünde die Chance, die Mitarbeiter mitzunehmen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Lufthansa kommuniziert nicht mehr, sondern weniger. Die Unternehmensführung fühlt sich, auch durch ein paar Verrisse in der Presse in den vergangenen Wochen, in die Enge gedrängt. Sie macht dicht. Das macht die Lage noch viel schlimmer.

Das gilt vor allem deswegen, weil dem Unternehmenschef Christoph Franz selbst im mittleren und oberen Management weiter intern Skepsis entgegenschlägt. Der promovierte Wirtschaftsingenieur gilt vielen als Mann mit zu wenig Stallgeruch, der es noch dazu nicht schafft, das Gefühl von Wir-packen-das-schon zu verbreiten.

Aufsichtsratschef Weber scheint das zu spüren. Er tritt selbst öfter öffentlich auf. Er macht dies sicher mit den besten Absichten für das Unternehmen - aber es wirkt so, als habe auch Weber das Gefühl, er müsse als Ausputzer dienen.

Die kommunikativen Fehler sind auch deswegen schwer zu verstehen, weil Franz im Prinzip das Richtige vorhat - er müsste es nur offensiv verkaufen. Es gilt, den Leuten die guten Perspektiven aufzeigen, die sie sich durch Zugeständnisse erarbeiten, sowie Grenzen für Leiharbeit und Werkverträge zu ziehen.

Man stelle sich für einen Moment eine Lufthansa vor, die ihre Kosten besser in den Griff bekommen hat, weil die Mitarbeiter mitmachen und weil sie vieles an Bürokratie und altem Prestigedenken abgeschüttelt hat. In Verbindung mit dem sehr starken Streckennetz wäre diese Crew unschlagbar. Doch so weit ist sie noch lange nicht.

Dass es dem Unternehmen nicht so schlecht geht wie 1992, macht die Verhandlungen schwierig. An den Fakten kommt dennoch keiner vorbei: Lufthansa macht seit Langem auf den Kurzstrecken jährlich Verluste in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro. Die Ticketpreise sinken im langjährigen Durchschnitt, die Treibstoffkosten steigen und der stärkere Dollar hilft nicht, weil Kerosin und Flugzeuge in Dollar bezahlt werden müssen. So wie bisher geht es nicht weiter. Wenn sich nichts ändert, wird sich Lufthansa aus immer größeren Teilen des Europa-Geschäfts zurückziehen. Das kann auch den Kunden nicht recht sein.

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SZ vom 30.08.2012/fzg/mkoh
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