Stratolaunch:Hier entsteht das größte Flugzeug der Welt

Handout photo of Vulcan Aerospace's Stratolaunch rockets' left fuselage under construction in Mojave, California

Das riesige Flugzeug wird gerade in einem Hangar von Scaled Composites am Flughafen von Mojave in Kalifornien zusammengebaut.

(Foto: Reuters)
  • In einem Hangar in Kalifornien entsteht derzeit das größte Flugzeug der Welt. Hinter dem Projekt steht der Microsoft-Mitbegründer Paul Allen.
  • Das Flugzeug soll jedoch nicht in der kommerziellen Luftfahrt, sondern für die Raumfahrt genutzt werden.

Von Jens Flottau

Die sechs Motoren stehen noch abgedeckt in einer Ecke, die Fahrwerke sind auch im Hangar geparkt. Eines der großen Seitenleitwerke, die am Rumpfende montiert werden sollen, fehlt noch. Es wird also noch eine Weile dauern, bis dieses eigentlich unfassbare Gerät zum ersten Mal fliegen wird. Und noch eine ganze Weile länger, bis klar ist, ob dem Erst- und den Testflügen noch viele weitere folgen werden.

Denn was in einem Hangar in der Mojave-Wüste in Kalifornien entsteht, ist nicht nur das größte Flugzeug der Welt, sondern wahrscheinlich auch das ungewöhnlichste. Mit einer Spannweite von 117 Metern ist es um 37 Meter breiter als ein Airbus A380. Das maximale Startgewicht von mehr als 500 Tonnen ist ähnlich dem des größten Passagierflugzeuges, aber in die beiden in großem Abstand zu einander parallel angebrachten Rümpfe passen nur drei Menschen, die durch eine vergleichsweise winzige Tür ins Cockpit kriechen müssen. Sechs Pratt & Whitney PW4000-Motoren sollen das Ungetüm auf eine Flughöhe von 35 000 Fuß (knapp zwölf Kilometer) bringen. Die Frage ist nur: Was soll das Ganze?

Riesenflugzeug als Startrampe für Raumfahrzeuge geplant

Eine Computergrafik zeigt die Vision des Microsoft-Mitgründers Paul Allen

(Foto: dpa)

Die Antwort muss Paul Allen geben, Milliardär und Mitbegründer von Microsoft. Allen steht hinter dem Unternehmen Vulcan Aerospace und dem Flugzeug mit dem Namen Stratolaunch. Der Name ist Programm. Denn Allens Ziel ist weniger ein spektakuläres Luftfahrtprojekt, sondern die Raumfahrt: Zwischen die beiden Rümpfe soll eine Trägerrakete mit einem oder mehreren Satelliten geschnallt und dann in Reiseflughöhe gezündet werden. Damit seien die Satellitenstarts vom Wetter unabhängiger und könnten an einer idealen Position stattfinden - Stratolaunch fliegt die teure Fracht einfach hin.

Der ganze "New Space"-Sektor ist voll von Leuten wie Allen

Die kommerzielle Raumfahrt scheint eine ungeheure Faszination auf Männer auszuüben, die auf der Erde beruflich alles erreicht haben. Der ganze "New Space"-Sektor ist voll von Leuten wie Allen: Elon Musk, der auch unter der Marke Tesla Elektroautos bauen lässt, gründete die Firma SpaceX und will gerne Astronauten zum Mars fliegen. Jeff Bezos hat mit Blue Origin zuletzt einige spektakuläre Erfolge erzielt - die Trägerraketen kehrten quasi rückwärts an ihren Startpunkt zurück, nachdem sie in großer Höhe ihre Fracht abgekoppelt hatten. In Gesellschaft von Allen, Bezos und Musk wirkt einer wie Richard Branson, der mit seiner Virgin Galactic einfach nur Touristenflüge anbietet, die kurz die Erdatmosphäre verlassen werden, schon sehr wie Old Economy.

Allerdings muss der Fairness halber erwähnt werden, dass Branson und Allen auf den gleichen Lieferanten setzen: Scaled Composites, eine Tochter des US-Luft- und Raumfahrtkonzerns Northrop Grumman, hat für Virgin Galactic das "White Knight Two" gebaut. Allens Stratolaunch folgt dem gleichen Konzept, ist allerdings dreimal so groß.

Microsoft-Mitgründer Paul Allen montiert das Fluggerät aus Teilen alter Jumbojets

Das Fluggerät ist selbst auf gewisse Weise auch sehr Old Economy: Denn viele seiner Komponenten stammen von zwei ausgemusterten Boeing 747-400 der United Airlines, die Vulcan Aerospace gekauft hat und nun ausschlachtet. Die komplette 747-Cockpitausstattung wird an Bord von Stratolaunch genutzt, inklusive der Pilotensitze. Auch Avionik (Bordelektronik), Hydraulik, das Fahrwerke und die Triebwerke stammen von den beiden alten United-Fliegern. Drum herum gebaut hat Scaled Composites allerdings Rümpfe und Tragflächen aus leichten Faserverbundwerkstoffen, denn trotz der gewaltigen Ausmaße muss das Ding leicht genug sein, um noch mitsamt einer bis zu 275 Tonnen schweren Last - Rakete und Satelliten - abheben zu können.

Die beiden Piloten und der Flugingenieur werden im rechten Rumpf untergebracht, der (in Flugrichtung) linke wird lediglich für alle möglichen Ausrüstungsteile genutzt. 2011 hatte Allen das Projekt erstmals angekündigt und damals einen Erstflug bis 2015 in Aussicht gestellt. Daraus ist nichts geworden, was Paul Allen finanziell verschmerzen wird - sein Vermögen wird derzeit auf rund 18 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Die Frage ist eher, ob Stratolaunch überhaupt ein sinnvolles Projekt ist oder sich bald als Fehlinvestition herausstellt. Denn das Konzept stammt noch aus einer Zeit, als es darum ging, große, schwere Satelliten ins All zu befördern. Doch die Nutzlasten, um die es heute geht, sind viel kleiner und leichter geworden. Es besteht also die Gefahr, dass Stratolaunch schlicht völlig überdimensioniert ist.

Bis Ende 2017 dürfte es mit dem Erstflug dauern

Projektchef Chuck Beames sieht das naturgemäß anders. Denn es spreche überhaupt nichts dagegen, statt eines großen Satelliten mehrere kleine an die Trägerrakete zu schnallen, die Vorteile wären aus seiner Sicht die gleichen. Doch auch die Branche selbst scheint skeptisch zu sein. Einst sollte Musks SpaceX die Trägerrakete, die unter das Riesen-Flugzeug montiert werden sollte, bauen, hat sich aber längst von der Idee wieder verabschiedet. Auch andere Raumfahrtfirmen wie Orbital ATK and Sierra Nevada waren zeitweilig im Gespräch, doch bis heute fehlt ein Partner, der die Rakete entwickeln würde.

Ein bisschen Zeit wäre allerdings noch. Beames zufolge ist Stratolaunch derzeit zu etwa drei Vierteln fertig gebaut, danach müsste die Maschine voraussichtlich noch monatelang am Boden getestet und für den Erstflug vorbereitet werden. Beames will sich deswegen auch nicht öffentlich auf ein Datum für den Erstflug festlegen lassen. Selbst wenn keine unvorhergesehenen Schwierigkeiten auftreten, dürfte es aber noch bis Ende 2017 dauern, bis das Flugzeug zu seinem ersten Testflug abhebt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: