Strategiewechsel:Was die Deutsche Bank zum Überleben braucht

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Die neuen Chefs Jain und Fitschen haben in ihren ersten hundert Tagen einiges in Angriff genommen. Ihr Führungsstil soll weniger autokratisch sein, bei den Mitarbeitern herrscht Aufbruchstimmung. Aber das wird dem größten deutschen Geldhaus nicht reichen.

Andrea Rexer

Das Dilemma der Deutschen Bank lässt sich in zwei einfache Sätze fassen: "Nur Geld verdienen ist nicht mehr gut genug. Aber nur ein fairer Partner sein und kein Geld zu verdienen geht auch nicht." So beschreibt Co-Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen die knifflige Lage. An diesem Dienstag soll klar werden, wo das Management den Ausweg sieht. Nach hundert Tagen im Amt wollen Jürgen Fitschen und Anshu Jain ihre neue Strategie für das größte deutsche Geldhaus vorstellen.

Die beiden sind sich des Spagats bewusst. Auf der einen Seite will die Öffentlichkeit einen Wandel in der Mentalität der Banker sehen: Es soll Schluss sein mit den aberwitzig hohen Gehältern und unmoralischen Finanzprodukten. Auf der anderen Seite erwarten die Investoren ein deutliches Sparpaket und einen klaren Wachstumskurs. Sie wollen mehr Leistung, egal, ob "aus Leidenschaft", wie es im Werbeslogan heißt, oder ob "Leistung Leiden schafft", wie Kritiker den Spruch gern verballhornen. Das Wort "Kulturwandel" zaubert den Investoren allenfalls ein schiefes Grinsen ins Gesicht.

Jain und Fitschen haben in ihren ersten hundert Tagen im Amt schon einiges in Angriff genommen: Sie wollen die Kosten um drei Milliarden Euro senken, 1900 Banker müssen gehen. Neben der Investmentbank und dem Privatkundengeschäft sollen künftig auch die Bereiche Vermögensverwaltung und internationaler Zahlungsverkehr stabile Erträge einbringen. Die Grenzen zwischen den Geschäftssparten werden aufgeweicht, um den Konzern effizienter zu steuern.

Auch am Kulturwandel haben Jain und Fitschen schon gearbeitet. Sie vermeiden jeden Anschein der Arroganz, gestehen Fehler der Vergangenheit ein. Sie haben es geschafft, unter den Mitarbeitern Aufbruchsstimmung zu verbreiten. Der Führungsstil sei weniger autokratisch, heißt es im Haus.

So positiv die ersten Anzeichen auch sind, das Führungsduo muss erst noch beweisen, dass der viel beschworene Kulturwandel mehr ist als ein bisschen Schminke. Das liegt in ihrem Interesse.

Nicht nur, weil sich die Bank in teure Rechtsstreitigkeiten verwickelt sieht, die ihren Ruf beschädigen. Sondern vor allem, weil die Bank den Regulatoren entgegenkommen muss, bevor diese zu drastischen Maßnahmen greifen. Kaum eine Bank kommt einer Personifizierung von "too big to fail" - zu groß, um pleite zu gehen - so nah wie der deutsche Branchenprimus. Ihn fallenzulassen, würde sich niemand trauen.

Debatte über Trennbankensystem - unpassend

Die Deutsche Bank ist an der Bilanzsumme gemessen die größte Bank der Welt. Und sie hat nicht die Absicht, kleiner zu werden - im Gegenteil. Die neuen Chefs glauben, dass künftig nur noch eine kleine Gruppe von weltweit tätigen Instituten überleben wird. Nur die Größten könnten künftig noch Geld verdienen. Keine Frage, dass das neue Management zu dieser kleinen Gruppe der Erlesenen gehören will.

Was könnte also für diese Vision unpassender kommen als eine Debatte über ein Trennbankensystem? Eine Zerschlagung der Deutschen Bank in einen Privatkunden- und in einen Investmentbanking-Bereich wäre das Aus für die Wachstumsstrategie. Jain und Fitschen ist also viel daran gelegen zu zeigen, dass die Geschäfte der Bank nicht riskant sind - und dass die Bank eine gesellschaftlich wichtige Rolle einnimmt.

In der Tat ist es so, dass der deutschen Wirtschaft nicht damit gedient wäre, den deutschen Branchenprimus zu zerschlagen. Ihre Exportorientierung verlangt nach Banken, die international stark sind. Die deutschen Großkonzerne würden in einem solchen Fall flugs auf die J. P. Morgans oder Barclays dieser Welt zurückgreifen - Probleme lösen würde das nicht.

Zielführender ist es da, auf eine gute Kapitalisierung der Bank zu pochen. Denn nur wenn die Bank etwaige Verluste aus eigener Kraft auffangen kann, wird sie nicht fallen - egal, wie groß sie ist. Die Aufseher tun gut daran, dem neuen Management bei diesem Aspekt genau auf die Finger zu schauen.

Die Deutsche Bank ist im Vergleich zu Konkurrenten vergleichsweise dünn mit Kapital ausgestattet, auch wenn sie über den derzeitigen regulatorischen Mindestgrenzen liegt. Doch genauso wie Fitschen in Bezug auf Finanzprodukte erklärt hat, dass nicht alles legitim ist, was legal ist, gilt bei der Kapitalausstattung: Nicht alles, was legal ist, ist ausreichend. Insofern: Kulturwandel ist wichtig, aber ohne eine satte Kapitalausstattung ist er Makulatur.

© SZ vom 10.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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