Süddeutsche Zeitung

Strategiewechsel bei der Deutschen Bank:Neue Ziele, alte Ausreden

  • Bei der Vorstellung des Strategiewechsels müssen sich die Co-Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, unangenehmen Fragen stellen.
  • Im Mittelpunkt ihres Sparplans steht der Verkauf der Postbank mit 14 Millionen Kunden und 15 000 Mitarbeitern.
  • Außerdem wird das Filialnetz ausgedünnt. Bis 2017 sollen 200 der rund 750 Niederlassungen. Auch im Investmentbanking will die Deutsche Bank sparen.
  • Die Investoren reagierten skeptisch. Die Aktie verlor am Nachmittag mehr als vier Prozent. Viele wünschten sich einen radikaleren Wandel

Von Meike Schreiber, Frankfurt

In ihrer bildhaften Sprache reden die Briten davon, dass ein "Elefant im Raum" steht, wenn etwas Unangenehmes ersichtlich ist, aber sich trotzdem niemand traut, es laut anzusprechen. So ähnlich fühlt es sich am Montagvormittag zunächst an, als die beiden Co-Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, zusammen mit Strategievorstand Stefan Krause die Pläne von Deutschlands größtem Geldhaus vorstellten. Und natürlich war der Saal in den Frankfurter Doppeltürmen, in dem das Institut oft große Pressekonferenzen abhält, bis zur letzten Reihe gefüllt. Jain und Fitschen gaben sich alle Mühe, die Neupositionierung als normalen Prozess abzutun, und den Eindruck zu zerstreuen, es handele sich etwa um eine verzweifelte Maßnahme gegen den schwachen Aktienkurs, weil womöglich die 2012 ausgerufenen Ziele verfehlt wurde.

"Unsere neue Strategie 2020 baut auf dem auf, was wir erreicht haben in den letzten drei Jahren. Wir haben erhebliche Fortschritte gemacht", sagte Fitschen. Die Deutsche Bank sei heute viel stärker und ausbalancierter, auch beim Kulturwandel seien alle Kollegen mitgenommen worden, also jenem ebenfalls vor drei Jahren ausgerufenen Ziel, nicht mehr gegen die Gesetze und Regeln zu verstoßen. Jain hingegen bemühte sich zu erklären, wo genau das Investmentbanking verschlankt werden soll, wo genau die Kosten weiter sinken, welche globalen Rahmenbedingungen den Plänen der Deutschen Bank zugrunde liegen, und natürlich auch, warum nun nach sieben Jahren Konzernzugehörigkeit die Postbank verkauft wird.

Unangenehme Fragen an die Co-Chefs

Die erste Stunde also stand er mitten im Raum, der Elefant. In der Fragerunde aber wurden die unangenehmen Themen angesprochen: Kommt die neue Strategie nicht viel zu spät, wo sich doch schon länger abzeichnet, dass Gewinne und Rendite deutlich niedriger waren als erwartet und zudem hohe Kosten für Rechtsstreitigkeiten das Ergebnis belasten? Welche Verantwortung trägt Jain persönlich, der Chef des Investmentbankings war, als dort Händler die Zinsen manipulierten? Und wie kann es sein, dass die aktuelle Bank-Führung noch nicht mal richtig bei der Aufklärung hilft, wie die Aufseher behaupten?

Doch Jain und Fitschen, die immer wieder die Köpfe zusammensteckten, um sich abzusprechen, fanden auch darauf eine Antwort. "Ich übernehme ganz klar die Verantwortung dafür", sagte Jain. "Ich will dafür sorgen, dass so etwas nicht noch mal passiert". Und Fitschen hob darauf ab, dass die Bank nun erst einmal alle Berichte abwarten müsse. Wenn dieses Thema dann aber abgearbeitet sei, könne die Bank wieder aus voller Kraft schöpfen und sich ganz auf ihre neue Strategie konzentrieren.

Wie es mit der Postbank weitergeht

Klar ist, dass die Postbank dann nicht mehr zu Konzern gehört. Bis Ende 2016 soll die Bonner Privatkundenbank zurück an die Börse gehen oder an einen Konkurrenten verkauft werden. Schon am Montag legte die Deutsche Bank damit los, stoppte die Integration und kaufte den verbliebenen Postbank-Kleinaktionären weitere Aktien ab - damit kontrolliert sie nun über 96 Prozent der Tochter, was eine technisch wichtige Voraussetzung für den Börsengang sei.

Zu einem Komplettverkauf des Geschäfts mit Privatkunden konnte sich die Bank hingegen nicht durchringen, auch weil die Spargroschen als stabile Refinanzierung für das Großkundengeschäft gelten. Doch warum trennt sich die Deutsche Bank überhaupt von dem alteingesessenen Institut mit seinen 14 Millionen Kunden und 15 000 Mitarbeitern, das Jain ausdrücklich als "sehr gute Firma mit starker Marke, die im digitalen Bankings schon weit fortgeschritten ist" lobte?

Die Gründe sind nicht nur darin zu suchen, dass es der Deutschen Bank nicht richtig gelungen ist, die Früchte dieser Übernahme zu ernten, das Ganze hat auch regulatorische Ursachen: Weil Politik und Aufsicht verhindern wollen, dass Banken nach der Finanzkrise noch einmal von den Steuerzahlern gerettet werden müssen, schreiben sie ihnen weltweit hohe Eigenkapitalreserven vor. Die Deutsche Bank jedoch hat sich hier nun neue Ziele gesteckt: Bis spätestens 2020 will sie insgesamt fünf Prozent Eigenkapital relativ zur gesamten Bilanzsumme vorweisen, im Branchen-Slang "Leverage Ratio" genannt, dafür fehlen ihr jedoch bis zu 20 Milliarden Euro Eigenkapital, denn bisher weist sie eine Quote von nur 3,1 Prozent aus und damit weniger als wichtige Konkurrenten.

Will es die Bank vermeiden, erneut neue Aktien auszugeben, muss sie ihre Bilanzsumme verringern, indem sie etwa 200 Milliarden Geschäftsvolumen im Investmentbanking aufgibt, aber auch, indem sie die Postbank verkauft. Das dürfte zwar unter dem Strich erst einmal einen Buchverlust nach sich ziehen, wird aber wohl trotzdem Eigenkapital "freisetzen", wie Banker sagen.

Skeptische Aktionäre, zerstrittener Vorstand

Und natürlich hat diese Maßnahme einen Nebeneffekt, den zumindest die Aktionäre am Montag nicht guthießen: Wer mehr Eigenkapital vorhält, erzielt in der Regel auch weniger Rendite. Entsprechend gaben Jain und Fitschen sich bis 2020 ein nur noch bescheidenes Eigenkapital-Rendite-Ziel von zehn Prozent; die zuvor nie erreichten zwölf Prozent kassierten sie ein. Obwohl die Deutsche Bank zugleich eine höhere Dividende in Aussicht stellte, gab der Aktienkurs kräftig nach.

Zum Schluss stand noch ein weiterer Elefant im Raum: Denn offen ist auch, wie die Bankführung künftig gemeinsam an einem Strang ziehen wird. Spätestens seit Ausbruch der Strategiedebatte gilt der Vorstand als zerstritten, wurde die interne Debatte von zahlreichen Indiskretionen begleitet. So hatte zum Beispiel Privatkundenvorstand Rainer Neske gegen den Verkauf der Postbank und für eine Veräußerung des gesamten Privatkundengeschäfts gekämpft. Die Frage, ob der Vorstand die Strategie 2020 gemeinschaftlich trage, beantwortete Fitschen mit ja. Auf die Frage, ob es bald Veränderungen im Führungsgremium gebe, gab es jedoch keine Antwort.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2454482
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.04.2015/infu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.