Straßburg:Wie das EU-Parlament für Bürgerinteressen kämpft

  • Die Umweltexperten des Europäischen Parlaments lehnen die geplanten EU-Abgasrichtlinien als zu lax ab.
  • Immer häufiger erweist sich das EU-Parlament als Korrektiv nationaler Interessen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Das Europäische Parlament hat seit dem Amtsantritt der EU-Kommission von Jean-Claude Juncker deutlich weniger zu tun - was schlicht daran liegt, dass die Behörde die Zahl der Gesetzesvorhaben spürbar reduziert hat. Umso akribischer können die Parlamentarier die vorhandenen Gesetzestexte prüfen und nicht zuletzt durch ein Veto dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit das Parlament wieder wahrnimmt.

Gerade hat der Umweltausschuss des Parlaments die neuen EU-Abgasrichtlinien abgelehnt. Zu Recht weisen die Umweltexperten darauf hin, dass angesichts des Betrugsskandals von Volkswagen die im Oktober vereinbarten Regeln zu lax sind. Damit verhindern sie praktisch einen neuen Skandal: Die hinter verschlossenen Türen ausgehandelten Gesetze hätten es Herstellern erlaubt, die offiziellen Grenzen des Abgas-Ausstoßes um mehr als das Doppelte zu überschreiten - weil einige nationale Regierungen zum Schutz ihrer Autoindustrie zahlreiche Ausnahmeregeln durchgesetzt haben.

Einlagensicherung, Datenschutz, Steuerschlupflöcher - das Parlament mischt mit

Es ist nicht das erste Mal, dass das Europäische Parlament die von nationalen Interessen getriebenen Mitgliedstaaten zurückpfeift - zugunsten von Verbraucher- und Bürgerrechten. Das war im Jahr 2010 beim Datenschutz so, als die Volksvertreter das Swift-Abkommen zur Weitergabe von Bankdaten kippten. Zuvor hatten die Innenminister monatelang mit den USA verhandelt. Damals reisten sogar US-Regierungsmitglieder nach Straßburg, um sich die unbekannten europäischen Volksvertreter aus der Nähe anzusehen.

Auch bei anderen Vorhaben setzte sich das Parlament durch. So sorgte es dafür, dass aufgeklärt wurde, wie verschiedene Regierungen ihren Unternehmen halfen, Steuerschlupflöcher zu nutzen. Später wurde das als Lux-Leaks-Affäre bekannt. In einem weiteren Fall verhalf das Parlament Bankkunden dazu, mindestens 100 000 Euro ihrer Einlage garantiert zu bekommen, wenn ihre Bank pleitegeht.

Wegen Episoden wie diesen erweist sich das Parlament in Straßburg immer öfter als Korrektiv zu nationalen Interessen. Es versucht, den Willen der Bürger auf europäischer Ebene im Blick zu behalten.

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