Strafzölle:Neue Barrieren

Strafzölle: Der Sägemotorenhersteller Stihl schätzt den globalen Freihandel. 90 Prozent des Umsatzes macht das Waiblinger Familienunternehmen im Ausland.

Der Sägemotorenhersteller Stihl schätzt den globalen Freihandel. 90 Prozent des Umsatzes macht das Waiblinger Familienunternehmen im Ausland.

(Foto: Stihl)

Die rabiate Politik von US-Präsident Donald Trump hinterlässt bereits jetzt ihre Spuren. Deutsche Unternehmen sorgen sich um den freien Welthandel.

Von Norbert Hofmann

Das Jahr 2017 können deutsche Exporteure wieder einmal unter der Rubrik Glanzzeiten verbuchen. Sie haben ihre Warenausfuhren um gut sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr noch einmal gesteigert, wobei die USA, Frankreich, China, die Niederlande und Großbritannien die wichtigsten Absatzmärkte waren. Allein diese Länder stehen für mehr als ein Drittel aller Warenausfuhren. Deutsche Exporteure stoßen in Europa ebenso wie in Asien auf weiter wachsendes Interesse. Wären da nur nicht die politischen Querelen, die das Geschäft am wichtigsten Absatzmarkt USA bedrohen. Dort haben deutsche Exporteure 2017 mit Waren im Wert von gut 111 Milliarden Euro zwar ebenfalls noch etwas mehr verkauft als im Vorjahr. Nach einem rückläufigen US-Geschäft im ersten Quartal sind aber trotz insgesamt weiter gestiegener Ausfuhren die Bremsspuren des Handelskonflikts nicht mehr zu übersehen.

Angesichts der dunklen politischen Wolken am Horizont, die das gesamte globale Handelsgefüge empfindlich stören könnten, macht sich auch bei den Unternehmen Skepsis breit. "Wir beobachten die aktuellen protektionistischen Entwicklungen mit Sorge, der Handelskonflikt darf im Interesse aller Beteiligten nicht weiter eskalieren", sagt Bertram Kandziora, Vorstandsvorsitzender des Motorsägenherstellers Stihl. Das Waiblinger Familienunternehmen mit einem Auslandsanteil von 90 Prozent am Umsatz schätzt die Bedeutung des globalen Freihandels hoch ein.

Wichtigster Absatzmarkt sind mit Abstand die USA. Da Stihl einen Großteil der dort vertriebenen Produkte in einer amerikanischen Produktionsgesellschaft fertigt, kann das Unternehmen die US-Handelspolitik zwar relativ gelassen sehen. Neu errichtete Barrieren würden sich dennoch bemerkbar machen. "Zur Herstellung von Einzelteilen beziehen wir in den USA auch Rohmateriallieferungen aus der EU, die sich dann verteuern würden", sagt Kandziora.

Firmen setzten nun auf eine breit diversifizierte Auslandsstrategie

Beim Handelsstreit geht es freilich nicht nur um mögliche direkte Barrieren gegenüber der EU. Deutschlands Automobilbauer etwa wären indirekt auch von neuen US-Zöllen gegenüber anderen Ländern betroffen. Denn mehr als die Hälfte der von ihnen in den USA produzierten Autos, in 2017 immerhin 800 000 Fahrzeuge, exportieren sie von dort aus wieder in andere Märkte. Die Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten zeigt zudem trotz des oft chaotischen Eindrucks und über die angedrohten Zölle hinaus Wirkung. "Trump verfolgt klare Ziele, die er sehr entschlossen erreicht", sagt Gunther Schnabl, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig.

Als Beispiel nennt er die drastischen Steuersenkungen und das Aufweichen der von seinem Vorgänger Barack Obama nach der Finanzkrise 2008 eingeführten Finanzmarktregulierung. Infolgedessen werde mehr Kapital in die USA fließen und dort das Wachstum stärken. Denn bei ausreichendem Zustrom von Geld aus dem Ausland können die Zinsen tendenziell länger niedrig bleiben, was wiederum Anreize für mehr Konsum und Investitionen schafft. Auch deutsche Industrieunternehmen dürften weiter in den USA investieren, weil sie so von der Steuerreform profitieren und näher an ihre Kunden in Nordamerika rücken. "Es werden also sowohl Produktionskapazitäten als auch Kaufkraft von Deutschland in die USA verlagert", sagt Schnabl.

Deutsche Firmen schreckt das in der Mehrzahl noch nicht. Sie setzen darauf, dass sie oft international diversifiziert sind und Wachstumschancen rund um den Globus nutzen können. Das Esslinger Traditionsunternehmen Festo etwa, ein Spezialist für Automatisierungstechnik in Produktionsstätten, sieht sich mit eigenen Gesellschaften in 61 Ländern nicht nur breit aufgestellt, sondern auch für die globale Produktion gut vernetzt. Vom Handelskonflikt spürt das Unternehmen bislang noch keine direkten Auswirkungen. "Die Stimmungslage in der Weltwirtschaft ist positiv, wir erwarten deshalb weiter überdurchschnittliches Wachstum", sagt Vorstandssprecher Alfred Goll. China und die USA waren für die Esslinger in ihrem Rekordjahr 2017 die wichtigsten Märkte mit den größten Zuwachsraten.

Global vernetzt steht bei Festo auch für den Anspruch, den Kunden in diesen Märkten schnellen Service am Ort zu bieten. So baut das Unternehmen am Standort Ohio jetzt die Logistik und Fertigung kräftig aus. Ein analog zum Zentrallager in Deutschland entwickeltes elektronisches Order Picking System ermöglicht dabei die zügige Lieferung von mehr als 20 000 verschiedenen Teilen. Die Kunden können dabei auch individuell zugeschnittene Lösungen ordern, so dass sich das Artikelspektrum rechnerisch fast auf eine Million Varianten erweitert. "Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmensstrategie", sagt Goll, der auf automatisierte Prozesse von der ersten Kundenanfrage bis zur Inbetriebnahme und Wartung ebenso setzt wie auf intelligente Fertigungsverfahren der Produktion 4.0. Sie werden auch das neue Werk prägen, das Festo gerade in China baut. Ein neues Logistikzentrum in Shanghai soll bis 2020 zudem durch eine völlig autonome Lieferkette einen Großteil des gesamten asiatischen Marktes versorgen.

Auch Stihl hat eine weltweit vernetzte Produktion mit gleich hohen Fertigungs- und Qualitätsstandards aufgebaut. "Dabei sind wir mit Fertigungsstätten in sieben Ländern selbst unser wichtigster Zulieferer", sagt Vorstandschef Kandziora. In der Schweiz beispielsweise entstehen die Ketten für die Motorsägen, in Brasilien Zylinder. Druckgussteile werden in Prüm in der Eifel produziert und Aerosoler in China sowie auf den Philippinen. Die weltweit verteilten Einkaufs- und Beschaffungsfunktionen werden dabei von Deutschland aus koordiniert.

Die Industrie 4.0 hat bei alldem ebenfalls längst Einzug gehalten: von der digital verknüpften smarten Logistik bis hin zu intelligenten Maschinen und vielen Roboteranwendungen, die jetzt schon in den Fabriken im Einsatz sind. Und man ist in China - für Stihl ein aufstrebender Markt mit jährlich zweistelligen Wachstumsraten - mit drei Produktionswerken für das weitere Wachstum in Fernost positioniert. Noch allerdings stehen da auch viele Hürden im Weg.

"Obwohl China für Freihandel wirbt, sind Direktinvestitionen und Marktzugang für ausländische Firmen nach wie vor erheblich eingeschränkt", sagt Kandziora. Der US-Präsident will auch das ändern, was den europäischen Exporteuren indirekt bald neue Probleme bescheren könnte. Denn schon jetzt sind in China industrielle Überkapazitäten entstanden, die sich durch Trumps neue Zölle weiter ausweiten und nur durch einen deutlichen Abbau von Arbeitsplätzen korrigiert werden könnten. Das aber kann sich die Regierung mit Blick auf die politische Stabilität gar nicht leisten. Konsequenz: China wird versuchen, mehr Waren bei asiatischen Nachbarn wie Indien oder Pakistan abzusetzen - vor allem aber die Exporte nach Europa zu forcieren. "Die nächste Runde im Handelsstreit könnte dann ein Konflikt zwischen Europa und China sein", sagt Wissenschaftler Schnabl.

Zwar sei Deutschland am Ausufern eines solchen Konflikts wegen der hohen eigenen Exporte nach Fernost und der vielen Produktionsstätten in China nicht interessiert. Andere, weniger wettbewerbsfähige Staaten in Europa könnten aber schneller auf Vergeltungsmaßnahmen drängen und so für neue Spannungen innerhalb der EU sorgen. Hinzu kommt: Trump streut schon jetzt Sand ins Getriebe einer europäisch-chinesischen Allianz. "Immer wenn er angedrohte Zölle gegenüber Europa doch nicht installiert und China gleichzeitig weiter unter Druck setzt, sorgt das für Entsolidarisierung zwischen diesen Handelspartnern", sagt Schnabl.

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